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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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nennt man das >Coming out<, aber Adrian wollte einfach nur in Frieden gelassen werden. Du weißt ja, wie er ist. Er wollte sich in überhaupt keine Schublade stecken lassen.«
    »Das möchte ich verdammt noch mal auch hoffen.«
    »Aber jetzt ist alles okay mit ihm, oder?«
    »Jane, meinst du. Das und die Tatsache, daß er eine unglaublich erfolgreiche Zukunft vor sich hat. Er läßt noch immer nichts raus. Vielleicht würde er manchmal lieber mit einem Kerl zusammensein, aber Sex, oder wie immer das heutzutage heißt, ist ja nicht alles.«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber Moment mal. Ich geh nur mal kurz die Alternativen durch, und bis jetzt ist da sonst nicht viel ...«
    In diesem Augenblick meldete sich das Baby, und sie entblößte ihre Brust und manövrierte ihm die Warze in den Mund. Meine Frau ging dafür immer in ein anderes Zimmer, und ich war ihr dankbar dafür, wie für vieles andere, wenn auch erst nachträglich. Aber ich will dieses Thema nicht vertiefen, da ich darüber schon ausreichend berichtet habe und erst gar nicht in Versuchung geraten will, das alles noch einmal umzuschreiben, mit mehr Großzügigkeit uns allen gegenüber, aber dann auch mit weniger Aufrichtigkeit, wie ich schon mehr als einmal gesagt habe, wenn ich mich recht erinnere. Die Frage jedoch bleibt: Wie sieht die Wahrheit
über die damalige Zeit tatsächlich aus? Ist es unser Verständnis von Leuten und Ereignissen, das wir im Rückblick verändern können? Oder sollten wir lernen, uns damit zufriedenzugeben, was wir damals für wahr erachtet haben? Darüber dachte ich nach, während das Baby sich satt saugte und ich nach oben ging, um zu packen, und dann mit Virginia auf das Taxi wartete. Nun war nur noch Konversation zu machen.
    »Du planst also eine große Familie, was?« fragte ich.
    Sie errötete leicht. »Ja, Dad, ich glaube schon. Irgendeine Meinung zu dem Thema?«
    »Ich bin mir sicher, du schaffst es, das ist alles. Und was ist mit deinen tauben Menschen? Irgendwo habe ich gelesen, daß es einen ziemlichen Mangel an Logopäden gibt.«
    Sie drückte mir die Hand. »Ich schaffe beides. Davon bin ich überzeugt.«
    »Da ist mein Taxi. Was für eine Meinung könnte ich denn schon haben? Aus großer Entfernung, die Meinung der Hummel über den Marathonläufer. Genug davon. Ach ja, danke und meine besten Wünsche für den stolzen Vater. Er ist ein guter Kerl. Und du bist eine glückliche Frau.«
    Ich sah, wie froh sie war, daß ich das noch hinzugefügt hatte, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich es ernst meinte oder sie glaubte, daß ich es tat. Und so gingen wir auseinander. Ich winkte ein letztes Mal, als das Taxi davonfuhr, und in diesem Augenblick überkam mich eine große Angst um sie. Nicht nur, weil ihr Glück nicht von Dauer sein konnte, weil es einfach zuviel war, sondern weil nichts von Dauer war und ihr jetzt, wie uns allen, das Alter bevorstand und dann nur noch das Ende des Alters, wie es im Gedicht heißt, und keine Bedeutung hinter dem Ganzen, die wir, die Ungläubigen, je entziffern könnten, sosehr wir auch darüber nachdenken und versuchen, es niederzuschreiben, wie ich es in all seiner Gewöhnlichkeit versucht habe. Sie lächelte breit und hielt das Baby in die Höhe, und es hatte einen bestürzten, verwirrten Gesichtsausdruck, als wüßte es bereits, wie das Leben die meiste Zeit über sein würde.
    Und so kehrte ich nach Highbury zurück, um vom Tod des Polen
zu erfahren, wie ich ja bereits berichtet habe. Virginia rief an, kaum daß ich zu Hause angekommen war, nur um zu sagen, wie sehr sie sich beide gefreut hätten, mich zu sehen, und dazu noch bei so guter Gesundheit. Ihr Mann habe an diesem Tag erfahren, daß er eine Gehaltserhöhung und damit auch mehr Verantwortung bekomme, was bedeutete, daß er noch mehr würde unterwegs sein müssen. Aber das sei der Preis, den man bezahlen müsse. Ja, sie sei sehr glücklich, und das Leben gehe weiter. Ich glaube, sie wollte mir auch sagen, daß sie von mir nichts mehr erwarte, Geld, meine ich. Aber bei solchen Sachen kann man sich nie ganz sicher sein. Man muß es immer im Hinterkopf haben. Und in letzter Zeit sehe ich eigentlich nicht gerade aus wie das blühende Leben, egal, was meine Tochter sagt. Sie hatten nicht erwähnt, wieviel Geld er noch immer seiner Mutter geben mußte. Irgendwie war das für mich das Erfreulichste überhaupt.

KAPITEL VIER
    I ch wartete vier Tage, bevor ich die Frau des Polen besuchte. Ich wollte mich nicht zu früh in ihre Trauer

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