Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Kämmen, verströmte sie Zufriedenheit und Liebe, als hätte sie für sich ein zusätzliches Leben gefunden, mehr als genug für das Baby. Alles, was ihr Mann und ich in dieser Situation tun mußten, war, jederzeit parat zu stehen. Ich bereitete die Mahlzeiten vor, wenn ich sie auch nicht kochte, fuhr sie hierhin und dorthin, erledigte einiges im Haushalt, ging einkaufen usw. Ich nannte sie Madam, und sie nannte mich Thomas. Ihren Gatten nannte ich »Sir«, wenn er da war, aber er hatte offensichtlich Mühe, diesen Spaß zu goutieren. Er nahm seine neuen Pflichten sehr ernst, und mehr als einmal hatte ich den Eindruck, er würde gern ein Vier-Augen-Gespräch unter Männern mit mir führen, wobei er bereits bei der ersten Gelegenheit damit anfing, mir zu sagen, wie gelegen ihnen das Geld gekommen sei. Davon wollte ich nun wirklich nichts wissen, aber an meinem letzten Abend ließ Virginia uns allein im Wohnzimmer, und als ich ihr folgen wollte, runzelte er tief die Stirn, legte die Fingerspitzen unter dem Kinn zusammen und sagte: »Wir wissen das wirklich sehr zu schätzen. Ich mußte ja eine deutliche Gehaltskürzung hinnehmen, weißt du, und deshalb dachte ich mir, es wäre am vernünftigsten, die Hypothek zu prolongieren. Wie ich mir das vorstelle, habe ich folgendermaßen ausgerechnet ...«
Da mir dies wie eine Einleitung zu einer detaillierten Präsentation ihrer privaten Haushaltsfinanzen vorkam, eilte ich, etwas über Kartoffeln murmelnd, in die Küche und kehrte nicht zu schnell mit zwei Gläsern Wein zurück. Doch er hatte nicht, wie ich befürchtet hatte, einen dicken Ordner aufgeschlagen auf seinem Schoß, sondern blätterte nur in den Belegabschnitten seines Scheckbuchs.
»Trink aus«, sagte ich, »ich muß sagen, es ist gut, Virginia so glücklich zu sehen.«
Er grinste etwas zu schnell und setzte dann eine zutiefst ernste Miene auf, als hätte er vor, als nächstes zur Sprache zu bringen, wieviel er für ihr Begräbnis beiseite zu legen beabsichtigte.
»Ja«, sagte er. »Sie will jetzt mehr ... na ja, eine ziemlich große Familie, mehr ...«
»Kinder«, schlug ich vor.
»Ja, genau«, sagte er, als wäre ihm diese Perspektive völlig neu. »Ja. Und der Job entwickelt sich vielleicht nicht so schnell wie das alles, allerdings habe ich eine Chance auf eine Gehaltserhöhung im ... es ist ein sehr wettbewerbsintensives Geschäft, der Bürobedarf. Wir handeln vorwiegend mit den Grundprodukten: Schreibhefte, Klebematerial, Heftklammern, Kugelschreiber, Schreibpapier, solche Sachen, aber jetzt kommen auch einige neue Produkte auf den Markt. Du kennst doch zum Beispiel die Jiffy-Taschen, na ja ...«
Ich schlug die Beine übereinander und strich mir sehr nachdenklich über das obere Knie — was er genauso machte, wie ich zu spät erkannte. »Das heißt also, sie will expandieren, auch wenn das Geschäft es nicht tut«, sagte ich. »Welche Größe stellt sie sich denn so vor? Nur das halbe Dutzend oder eher mehr?« Ich versuchte, nicht mißbilligend zu klingen, konnte aber in diesem Augenblick meinen Abscheu davor, wieviel Bumsen das noch bedeuten würde, nicht überwinden.
»So in der Richtung von drei oder vier, glaube ich.«
»So in der Richtung oder insgesamt?«
»Dieser Frage werden wir uns von Fall zu Fall stellen müssen, glaube ich.«
»Sehr vernünftig. Ein Dingsbums nach dem anderen.« Ich bemühte mich, nicht sarkastisch zu klingen, da er mich allem Anschein nach sehr ernst nahm. Langfristig allerdings würde die Aussicht, daß ich irgendwann den Überblick über meine Enkel verlor, gut dazu passen, daß auch andere Dinge aus dem Lot gerieten. Deshalb war dieser Aspekt des Themas ebenfalls nicht unbedingt einer, den ich weiterverfolgen wollte.
»Wir haben vor, unsere Strategie sehr sorgfältig zu planen«, sagte er eben.
Sofort malte ich mir aus, was genau zu besprechen sein würde und wie und in welchen Stadien der Entwicklung. Dann kam die militärische Bildlichkeit: den Gegner sturmreif schießen, Vorstöße,
Flankenbewegungen, Körpereinsatz, den Kalender studieren und so weiter. Ich sah sie brüten über Diagrammen voller Geldbeträge und Reihen von Strichfiguren, einige mit Dreiecksröckchen. Ich ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er hatte eine Aufmunterung bitter nötig.
»Was ihr auch entscheidet, ich bin damit einverstanden.«
»Vielen Dank, Dad. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.« Mit Sicherheit fand er das unglaublich großzügig von mir.
In
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