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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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mit farbigen Stecknadeln darin, die ein Netzwerk aus Bibliotheken, pädagogischen Hochschulen, Dozenten, Managementzentren und Studia – was immer das sein mag – bezeichneten. Im zweiten und im letzten Stock wiesen elegante schwarzweiße Schilder auf diverse Büros hin: Stipendien und Besuche, Filmbibliothek, Abteilung Englische Sprache, Beratungsdienst für Management-Englisch, Theater und Kino, Verwaltung und etwas mit dem schönen Namen »Know-how-Fundgrube«. In diesem Büro saßen mehrere sehr eifrig aussehende junge Männer, die von drei Frauen sehr gut beraten wurden, also beschloß ich, sie nicht zu stören, obwohl ich mir sicher war, daß das, was dort geboten wurde, ich nötiger hatte als sie. Also machte ich weiter mit meiner Bürotour. Es herrschte ein reges Kommen und Gehen, und mehr als einmal wurde ich gefragt, ob man mir helfen könne. Ich sagte dann, ich sähe mich einfach nur um, und niemand schien etwas dagegen zu haben oder zumindest nicht viel. Ich sehe im allgemeinen nicht aus wie jemand, der Böses im Schilde führt. Überall begegnete ich attraktiven Frauen, alle sehr schick angezogen, als würden sie gleich auf eine Cocktailparty gehen, was sie vielleicht auch taten, den Gläsern nach zu urteilen, die auf einem langen Tisch im Vorraum mit einer Galerie von Plakaten für kulturelle Ereignisse aufgereiht standen. Was mir hier gefiel, waren die Bandbreite des Charmes und die Arten des Lächelns oder es im richtigen Augenblick nicht zu tun – was meine Mutter »gut erzogen, nicht wie gewisse Leute, die ich kenne« genannt hätte.
    Ich ging wieder hinunter in die Handbibliothek und fing an, meine P. D. James zu lesen oder zumindest die ersten paar Seiten, denn dann merkte ich, daß ich den Krimi schon kannte. Ich legte ihn dort ab und wünschte mir, das Gebäude wäre noch ein Cafe, denn ich hatte Durst. Der Direktor kam und ging aus keinem Grund, der mir ersichtlich war, doch diesmal ignorierte er mich. Ich hoffte, er würde irgendwo ein nettes Häuschen für seinen Ruhestand finden. Er sah auf jeden Fall aus, als wäre er mehr als reif
dafür. Ich hoffte, er würde das Ganze hier nicht allzusehr vermissen. Für eine sehr gute Personalausstattung hatte er auf jeden Fall gesorgt. Ich hoffte, er würde sich bald von diesem Anzug trennen. Ich denke jetzt an ihn und frage mich, ob er vielleicht nur ein Produkt meiner Phantasie war.
     
    Das Essen bei den Wysinskis an diesem Abend war etwas anstrengend. Sofort danach notierte ich mir alles, was mir davon noch einfiel. Zuerst sprach Mr. Wysinski überhaupt kein Englisch, und ich bin mir sicher, daß seine Frau nicht die Hälfte von dem übersetzte, was er sagte. Er redete unaufhörlich, vor allem über die Fehler, die das alte Regime gemacht hatte. Anfangs hatte ich den Eindruck, er wollte sich bei mir oder durch mich bei der gesamten westlichen Welt oder bei seiner Frau entschuldigen für das, was er schon die ganze Zeit als ineffizient und töricht betrachtet hatte, eine Schuldzuweisung ohne eigenes Schuldeingeständnis. Seine Frau übersetzte neutral, sie wahrte eine gewisse Distanz, wollte aber auch, daß ich einen guten Eindruck von ihnen beiden bekam. Essen und Trinken waren reichlich, und sie beobachteten genau, ob es mir auch schmeckte. Sie hielten mich für wichtiger, als ich tatsächlich war, sahen in mir vermutlich den erfolgreichen englischen Geschäftsmann, obwohl ihre Tochter ihnen doch mit Sicherheit erzählt hatte, daß ich in einer kleinen Wohnung in einem nicht sehr vornehmen Viertel Londons wohnte und stundenweise in einem Waschsalon arbeitete. Es war, als verströmte allein schon meine Anwesenheit eine gewisse magische Autorität. Je mehr Mr. Wysinski trank und redete, desto mehr paßte sie auf ihn auf, und als er gegen Ende des Abends plötzlich anfing, Englisch zu reden, hörte sie völlig auf zu übersetzen. Sein Vokabular bestand vorwiegend aus Schimpfwörtern: Quatsch, Blödsinn, albern und vor allem dumm, und Namen purzelten ihm aus dem Mund, von denen ich annahm, daß es sich um führende Politiker handelte. Sein dralles Gesicht rötete sich, und er schwitzte heftig und fuchtelte mit den Händen, als würde er einen rebellischen Chor dirigieren. »Keine Hoffnung«, sagte er immer und immer wieder, »Kirche, Rußland, Wahlen, Walesa, Gorbatschow, Demokratie,
Freiheit, dumm, alles ist dumm, und die Leute wissen nichts, rein gar nichts, Mr. Ripple ...«
    Seine Frau versuchte, ihn zu beruhigen, aber jetzt schien es ihr

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