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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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allein, und seine Schwanzfedern sanken zu Boden. Die Leute grinsten und
deuteten auf das Tier, und mir fiel auf, wie fein die Frauen angezogen waren, die Männer etwas weniger, aber alles andere als schäbig, und ich dachte an eine ähnliche Versammlung gewöhnlicher Leute in Großbritannien, die schmuddelig und abgerissen daherkamen, als müßten sie mit ihrer Armut protzen. Da schienen die falschen Leute am falschen Ort zu sein. Dort am See fragte ich noch einmal nach Maria und sagte, was für ein charmantes Mädchen sie sei. Und einen Augenblick lang sah ich Hoffnung und freudige Erwartung im Gesicht ihrer Mutter, bevor irgend etwas beide Gefühle zum Verstummen brachte, etwas, das sie mir nicht erklären konnte. »Sie wird keine Erinnerung haben«, sagte sie. »So als wäre sie am Anfang der Zeit geboren.«
    Schließlich stießen wir wieder zu Mrs. Bradecki und ihrer Begleiterin, die jetzt auf einer Bank vor dem Rosengarten saßen, wo wir unseren Rundgang begonnen hatten, direkt unter der Statue Chopins mit der vom Wind zerzausten Weide, die seinen Kopf überwölbte wie ein riesiger, wütender Vogel.
    Sie warfen uns einen kurzen Blick zu, als wollten sie nicht, daß wir näher kämen, aber offensichtlich wußten sie einander nichts mehr zu sagen. So nebeneinandersitzend, sahen sie aus, als hätten sie nichts gemeinsam, Mrs. Konopka mit geradem Rücken, das graue Kostüm wie eine Uniform, das Gesicht starr, als hätte sie ihre Pflicht getan, und damit wäre alles erledigt; Mrs. Bradecki zusammengesunken neben ihr, den Kopf wie in einer Demutsgeste gebeugt. Aber als wir uns näherten, neigten sie sich zueinander, und ihre Arme berührten sich, dann lösten sie sich abrupt wieder voneinander, wie bei einer Intimität ertappt, die sie leugnen mußten. Sie wirkten, als hätten sie nicht sehr lange miteinander gesprochen und warteten jetzt nur darauf, daß wir wieder weggingen, damit sie für sich sein konnten. Wir machten kehrt, und sie folgten uns zum Auto, und es wurde kein Wort mehr gesprochen.
    Im Hotel ging Mrs. Bradecki direkt in ihr Zimmer, und Marias Mutter berichtete mir, sie hätten sich für später am Abend noch einmal verabredet. Ich war nicht eingeladen. Sie hatte ihr eigenes Leben wiedergefunden, und ich hatte meine Pflicht erfüllt.
Marias Mutter lud mich für den nächsten Abend zum Essen ein, damit ich ihren Mann kennenlernen konnte. Ihre letzten Worte an mich waren: »Sie hat ein Haus in den Wäldern außerhalb von Warschau. Jetzt können sie zusammensein. Wenn diese Leute so sind, dann sind sie Fremde für uns. Tausend Jahre fremder, als ich es für Sie bin.«
     
    An diesem Nachmittag ging ich noch einmal spazieren, schlenderte zwischen den unzähligen Ständen vor dem Kulturpalast hindurch und betrat auch ein oder zwei Läden. Ich ging auf einen Drink ins Marriott Hotel, und es hätte irgendeins dieser Hotels irgendwo sein können, mit seinen Spiegeln und dem falschen Blattwerk, dem Marmor und dem glänzenden Stahl. Die Kellnerinnen hatten sogar Namensschilder und Röcke mit Schlitz. Ich fragte mich, was um alles in der Welt ich eigentlich hier wollte, allein und gelangweilt und ziemlich fehl am Platz in irgendeinem protzigen, unpersönlichen Wartesaal des Lebens. Mein Reiseführer hatte mir Krakau als lohnendes Ziel empfohlen, und weil mir sonst nichts einfiel, ging ich zur Rezeption und mietete mir für den übernächsten Morgen ein Auto.
    Später in unserem Hotel sah ich Mrs. Bradecki mit gepacktem Koffer in der Lobby sitzen. Sie deutete zur Rezeption und gab mir Geld, das ich für sie einwechseln sollte. Ich fragte sie, ob sie ausziehe.
    »Ich wohne meine Freundin«, sagte sie mit fester Stimme, als müsse sie sich dazu zwingen, und mied dabei meinen Blick. »Hotel zu viel Geld.«
    Dann kam Mrs. Konopka und nahm ihren Koffer, ohne mich eines Blickes zu würdigen, und die beiden gingen davon. Gestern hatte sie kein einziges Wort an mich gerichtet, und das war auch jetzt nicht anders. Ich hoffte, Mrs. Bradecki würde sich noch einmal zu mir umdrehen; sie tat es nicht. Kurz wünschte ich mir, ich hätte sie nach einer Telefonnummer gefragt, doch das war jetzt nicht mehr nötig. Ich hatte meine Pflicht erfüllt, verspürte aber keine Erleichterung. Ich fragte mich, ob ich sie je wiedersehen würde, und konnte mich nur an ihre weit aufgerissenen Augen
erinnern, als Mrs. Konopka kam und ihren Koffer nahm, so als hätte irgend etwas sie mitten in der Nacht geweckt.
     
    Tags darauf machte ich eine

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