Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
es werde ihr gutgehen. Mrs. Wysinski verließ das Zimmer und kam mit einem braunen Umschlag zurück. »Das ist für Sie«, sagte sie. »Ich habe es vor langer Zeit übersetzt. Aber ich glaube, das Englisch ist nicht so schlecht.«
    Ihr Mann warf nur einen kurzen Blick auf den Umschlag, als ginge ihn diese Sache nichts an. Beim Abschied legte er mir die Hand auf den Rücken und sagte etwas auf polnisch. Sie übersetzte für mich. »Mein Mann sagt, es war sehr freundlich von Ihnen, daß Sie ihm zugehört haben, wo er doch nichts von Demokratie und freier Marktwirtschaft versteht.«
    »Vielleicht gibt es wichtigere Dinge, die man verstehen sollte«, sagte ich.
    Sie warteten, daß ich weiterredete, und ich kam mir vor wie ein Zauberer, dessen Trick gleich mißlingen würde, so als sollte ich ihm hinters Ohr greifen und eine Goldmünze hervorziehen. Ich plapperte weiter. »Geld. Kaufen und Verkaufen. Bekommen und Ausgeben. Jeder für sich selbst. Auch wir haben unsere Armut.« Dann fiel mir ein Satz ein, den Jane einmal gesagt hatte. »Wir, die wir den Preis von allem und den Wert von nichts kennen.«
    Mrs. Wysinksi (oder Wysinska, wie ich sie eigentlich korrekt nennen sollte) übersetzte das nicht, und sie schüttelten gleichzeitig den Kopf. »Sie können so etwas sagen, wenn Sie Geld und Hoffnung haben«, sagte sie. »Sie können viele solche schöne Sachen sagen.«
    Und so verließ ich sie. Mein letzter Eindruck von Mr. Wysinski war, daß er den Tränen nahe war, obwohl er breit lächelte. Seine Frau stand mit strenger Miene neben ihm wie eine Gastgeberin, die froh war, endlich einen Gast los zu sein, der sich schlecht aufgeführt hatte. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich bei ihnen bedankte. Ich hatte keine Blumen mitgebracht, wie die Polen es tun, und
auch sonst kein Geschenk, als wäre meine reine Anwesenheit, meine westliche Allwissenheit, schon Großzügigkeit genug.
     
    An diesem Abend las ich den Bericht, den sie mir mitgegeben hatte. Beigelegt war eine kurze Notiz, die lautete wie folgt:
    Lieber Mr. Ripple,
    bitte entschuldigen Sie die Übersetzung, die nicht perfekt ist. Kurz nach dem Krieg erzählte Frau Konopka jemandem, was ihr und Frau Bradecka widerfahren war. Wie ich Ihnen bereits im Park gesagt habe, war das für ein Buch über jüdische Kinder und ihre Erfahrungen, aber letztendlich wurde ihre Geschichte nicht verwendet. Eines Tages hat sie es mir gegeben, als mein Mann und ihr Mann Parteimitglieder wurden und wir alle Freunde waren. Ich glaube, inzwischen hat sie vergessen, daß sie es mir gegeben hat. Es ist schon lange her, und sie hatte sich ein neues Leben geschaffen, hatte in die Nomenklatura eingeheiratet, wie wir das nennen. Sie dürfen ihr nicht sagen, daß ich es Ihnen gegeben habe. Ich tue es nur, damit Sie etwas über Ihre Freundin, Dorota Bradecka, erfahren.
     
    Hochachtungsvoll, Elzbieta Wysinska.
    Vor dem Krieg war ich sehr glücklich, und meine beste Freundin war Dorota. Als die Deutschen kamen, wohnten wir in der Altstadt, und dann mußten wir ins Getto. Unsere Väter waren Juden, aber unsere Mütter waren Arierinnen, und wir mußten zusammenbleiben. Deshalb waren wir auch beste Freundinnen, obwohl Dorota jünger war. Eines Tages, als es eine Aktion gab, ging ich zu meiner Tante, die mit einem Arier verheiratet war und als Arierin lebte. Sie gab mir manchmal Brot zum Verkaufen und schickte mich zum Arbeiten auf einen Bauernhof. Die Arbeit war schwer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, aber meine Tante gab ihnen Geld, und sie wußten nicht, daß ich jüdisch war. Manchmal ging ich ins Getto, aber meine Eltern schickten mich schnell wieder weg. So lebte ich zwei Jahre. Ich war erst elf Jahre alt. Dorotas
Eltern wohnten im Haus neben dem unseren, und sie hatten auch noch einen Sohn, der älter war. Er ging immer hierhin und dorthin und verkaufte Zigaretten und Zeitungen. Ich mochte ihn, weil er immer so tapfer und fröhlich war, und er zog mich oft an meinen Zöpfen, aber immer nur sanft. Er erzählte uns, daß manchmal die Gestapo kam und ihn durchsuchte, aber er versteckte immer alles in einem Koffer, und sie fanden nie etwas. Er sagte, die anderen Jungs nannten ihn manchmal Judenjunge, aber sie haßten ihn nicht. Sie verlangten nur Sachen von ihm. Als er vom Bahnschutz verhaftet wurde, wurde er geschlagen, und er gab die Adresse einer Freundin seiner Mutter an, und dorthin schickten sie ihn dann. Seine Eltern sagten ihm, er sollte nicht zurückkommen, sondern sich Arbeit auf einem

Weitere Kostenlose Bücher