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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Konopka trug ein dunkelblaues Kostüm mit einem passenden blauen Seidenschal um den Hals und einer großen Bernsteinbrosche am Revers, und ihre blondgefärbten Haare waren glänzend und geschmeidig, als käme sie frisch vom Friseur. Sie stand dünnlippig in ihrer ganzen Größe da, wie eine Frau, die sich im Lauf der Jahre gegen Argwohn und Haß gestählt hatte. Es war unmöglich, sich vorzustellen, wie sie als Kind gewesen sein könnte oder in irgendeiner Art verletzt oder lachend. Als ich auf sie zuging, nickte sie mir zu wie einem Bittsteller. Ich wandte mich deshalb an Mrs. Bradecki.
    »Sind wir soweit?« Wieder dieses gruselige Händereiben.
    »Wir sind soweit«, sagte sie und schaute zu ihrer Begleiterin hoch, als würde sie auf einen Befehl warten. Sie lächelte mich flüchtig an, oder vielleicht war es nicht einmal das, sondern nur eine erinnerte Höflichkeit, und dann kroch ein Schatten über ihre Augen, als Mrs. Konopka schnell auf polnisch etwas zu ihr sagte.
Als dann Maria und ich hinter ihnen her zu meinem Auto gingen, fragte ich sie, was Mrs. Konopka gesagt hatte.
    Sie zuckte die Achseln. »Weiß auch nicht so recht. Irgendwas Jüdisches. Was mit einer langen Reise. Ist unwichtig.«
    Ich hatte noch eine Frage, die ich ihr stellen mußte. »Waren Sie schon einmal dort?«
    »Nur in Majdanek mit der Schule. Wir mußten dorthin. Meine Mutter sagte, ich muß heute mit Ihnen fahren. Sie meinte, damals wäre es nur kommunistische Propaganda gewesen, um uns zu zeigen, wovor sie uns gerettet haben.«
    »Aber das trifft doch sicher auf Sie beide zu, oder?«
    »Sie hält es für besser so, und vielleicht haben Sie ja nach dem Abend bei uns zu Hause die Nase voll von ihr.«
    »Ach, du meine Güte, nein ... Wie auch immer, ich bin hocherfreut ...« Was ich nicht so unbedingt war, denn ich fragte mich, ob es vielleicht genau andersherum sein könnte. Ich schrieb ihr einen Dankesbrief, sah sie aber nie wieder.
    »Ich bin nicht so froh, Mr. Ripple.«
     
    Und so fuhren wir los, die beiden Frauen im Fond und Maria neben mir. Nach einer Stunde durch die Außenbezirke der Stadt erreichten wir offenes Ackerland, und nach einer weiteren Stunde bogen wir in einem Tannenwäldchen nach rechts ab. Die Landschaft wirkte leer und aufgeräumt, hier und dort wurden ordentliche Felder mit Pferdegespannen umgepflügt, und ältere Leute arbeiteten tief gebückt mit Handhacken. Es gab auch Pferdekarren, und wenn man nicht ab und zu einen Traktor gesehen hätte, dann hätte das Ganze auch eine Szenerie aus dem letzten Jahrhundert sein können. Die Dörfer wirkten einigermaßen wohlhabend mit ihren kantigen, dreistöckigen Häusern aus Waschbetonblöcken, von denen die meisten aussahen, als wären sie seit ziemlich langer Zeit unfertig. Die wenigen Leute, die man draußen sah, wirkten zumindest ebenso gut gekleidet und genährt wie in Suffolk, vor allem die Kinder. Um die Häuser herum das übliche funktionale Durcheinander landwirtschaftlicher Utensilien, Enten, pickende Hühner und Beete mit Gemüse und Blumen. Alles wirkte sehr zufrieden,
Bauern, die ihren Alltagsgeschäften nachgingen auf die gemächliche Art von Leuten, die sich orientieren an den Jahreszeiten und den Sitten und Gebräuchen der Vergangenheit. Zeitlosigkeit usw. Aber es war überhaupt nicht so, das habe ich zumindest gelesen. Heitere Gelassenheit im Auge des Touristen.
    Es war ein warmer, dunstiger Frühlingstag, hoch oben zogen Schleierwolken langsam und dünn an der Sonne vorbei. Lange Zeit sprachen Maria und ich kaum etwas. Sie wirkte nervös, als wartete sie darauf, daß die beiden Frauen etwas sagen würden, das sie für mich übersetzen könnte, oder vielleicht auch, weil sie sie belauschen wollte. Aber sie blieben stumm. Hin und wieder warf ich einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel und sah Mrs. Bradecki entweder zum Fenster hinaus in die Ferne starren oder mit halb geschlossenen, flackernden Augen dasitzen, als müßte sie sich anstrengen, wach zu bleiben. Einmal schien sie eingeschlafen zu sein, doch plötzlich kniff sie die Augen fest zusammen, als würde sie mit tiefster Konzentration beten. Mrs. Konopka war außerhalb meines Sichtfelds, doch als ich mich einmal umdrehte, blickte auch sie, mit unverändert starrer Miene, zum Fenster hinaus. Ich schaute kurz auf den Sitz zwischen ihnen; die Hände der beiden ruhten dort knapp nebeneinander, doch ohne sich zu berühren. Maria und ich waren Fremde geworden, die sich nur durch Zufall getroffen hatten und

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