Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
hüpfend, das Humpeln gänzlich verschwunden, ihr übliches weißes Rüschenkostümchen von farbigen Laserstrahlen gekreuzt, auch sie viel zu versunken, um mich zu bemerken. Ich fühlte mich gut an diesem Morgen, als wären die Warnsignale in der Brust gegen Ende der Show für jemand anderen gedacht gewesen. Zwei zusätzliche Gaviscon-Tabletten hatten das Problem bereinigt. Zu viel billiger bulgarischer Wein, das war alles.
Von jetzt an ist mir mein Notizbuch keine große Hilfe mehr, es gibt aber auch nicht mehr allzuviel zu erzählen. Der Tag fing ausgezeichnet an: Nach einer Phantom-Annelise Maria in Fleisch und Blut. Mrs. Bradecki und ihre Freundin kamen so spät, daß wir viel Zeit (ungefähr viereinhalb Minuten) allein miteinander in der Hotellobby verbringen konnten. Sie war sehr lebhaft und zeigte viele Spielarten ihres Lächelns, und ihre Haare waren eindeutig heller und ziemlich wirr, als hätte sie sie, um schnell bei mir zu sein, nach dem Duschen nur äußerst hastig getrocknet. Sogar etwas Lippenstift und Lidschatten. Aber kein Geruch, der
in Erinnerung geblieben ist. Glauben Sie mir, sie begrüßte mich wirklich mit höchst unangemessener Freude.
Ich streckte ihr meine Hand hin, die sie ohne Zögern nahm. »Sollten Sie denn nicht eigentlich in Deutschland sein und Geld verdienen?« fragte ich, leider errötend.
»Jetzt bin ich wieder hier und fange an mit Öffentlichkeitsarbeit für die Japaner, ich lerne es von der Pike auf, wie’s bei Ihnen heißt.« Sie klatschte in die Hände, ohne dabei ein Geräusch zu machen, vielleicht bereits die erste Lektion, die sie in ihrer Ausbildung gelernt hatte.
Wir setzten uns in ein tiefes, nach Leder aussehendes Sofa. Ich berührte ihren Arm knapp oberhalb des Ärmelrands. »Lassen Sie sich eins raten: Je öffentlicher Sie die Arbeit halten, desto besser.«
Sie schaute in die Gegend, als hätte sie mich nicht gehört, oder vielleicht auch, weil sie mich nicht verstanden hatte oder viel zu gut. Ihr Lächeln war verschwunden. Noch einmal von vorn, aber jetzt eher auf die onkelhafte Tour. Ich schaute auf meine Uhr und sie, mit einem leichten Achselzucken und einem Zusammenpressen der Lippen, auf die ihre. Ich schaute ebenfalls auf die ihre oder auf den Arm darüber, und der feine Flaum goldener Haare brachte mich auf den Gedanken, wie wohl Farbe usw. der Haare woanders beschaffen sein könnten, und von da an ging es unendlich weiter in dieselbe Richtung. Schon gut, nicht sehr onkelhaft.
»Ich schätze mal, daß die Japaner es ziemlich genau nehmen mit der Pünktlichkeit«, sagte ich. »Machen Uhren, die auf die Tausendstelsekunde genau gehen.« Ich zeigte ihr meine, die Adrian mir geschenkt hatte. »Das ist eine antike, mindestens schon ein Jahr alt. Ist nur auf die Hundertstelsekunde genau. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, warum ich sie noch habe, ich komme zu jedem Termin drei Hundertstelsekunden zu spät. Sie sollten mal sehen, wie die einen anschauen, schlimmer noch als die Schweizer. Die Japaner runzeln die Stirn und sagen: >Sie sehl spät dlan, Miste Lipple. Empfehle begehen Hala-kili, bevor beginnen halte Velhandrungen! ‹ Ich streckte die Arme aus, legte die Fäuste aneinander und stieß mir mit einem Ächzen und einem langen Gurgeln ein imaginäres
Samurai-Schwert tief in den Bauch. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, wohl weil sie dachte, ich hätte mir weh getan, und schaute sich dann um zu den Gauneraspiranten und den anderen, die mich ebenfalls anstarrten.
Ich zog das Schwert schnell wieder heraus und senkte die Stimme zu einem brüderlichen Tonfall mit einer nur angedeuteten Dehnung. »Nein, was ich meine, ist, ich glaube, das ist ein Job, in dem Sie absolut großartig sind, Öffentlichkeitsarbeit, oder in jedem anderen Job, wenn ich’s mir überlege, ob Sie ihn nun machen oder nicht. Also meiner Meinung nach haben die Japaner ein ziemliches Glück.«
An diesem Punkt machte sie mich darauf aufmerksam, daß Mrs. Bradecki und Mrs. Konopka zu den Leuten vor dem Casino-Schild gehörten, die uns beobachteten, und wir gingen zu ihnen. Sie standen ein wenig voneinander entfernt, als hätten sie beschlossen, nichts mehr miteinander zu tun haben zu wollen. Mrs. Bradecki trug ein ausgebleichtes, geblümtes Kleid und eine dunkelgrüne Strickjacke und hatte ihren braunen Mantel über dem Arm. Ihr schwarzes Kopftuch ließ nur ihr Gesicht frei, und sie wirkte eingeschüchtert und verloren, wie eine Bäuerin vom Lande, die sich ihrer Armut schämte. Mrs.
Weitere Kostenlose Bücher