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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Ansatz geben, der die mangelnde Selbstbeherrschung des Menschen zu erklären versucht.
    Doch was können wir von Bacon lernen? Montaigne hatte die Liebenden zumindest mit freundlicher Nachsicht betrachtet, fast mit Mitleid angesichts ihres Ausgeliefertseins an die Begierde. Francis Bacon kennt kein Mitleid. Er warnt und ermahnt, das eigene Herz gut zu verschließen. Wohl temperiert wird das Gefühlsleben für den, der diesem Rat folgt, ohne Tiefen, aber auch ohne Höhen. Doch wollen wir das wirklich? Wo läge der Vorteil? Vermutlich in der geringeren Verletzbarkeit, die mit dem Verzicht auf die Leidenschaften erkauft wäre. So argumentierte jedenfalls der Mann, der sechs Jahre nach Francis Bacons Tod in den Niederlanden geboren wurde: Baruch de Spinoza.

Liebeskummer lohnt sich nicht
    S ein Leben war von Verlusten geprägt: 1638, als Baruch de Spinoza sechs Jahre alt war, starb seine Mutter. Als 24-Jähriger wurde er aus der portugiesisch-jüdischen Gemeinde seiner Geburtsstadt Amsterdam verstoßen – die Rabbiner fürchteten um die Geschlossenheit ihrer Gemeinde und auch, dass das ketzerisch anmutende Gottesbild des hochbegabten Kaufmannssohnes sie bei den strengen Calvinisten ihrer niederländischen Exilheimat in Misskredit bringen würde. Alles ist vergänglich, das Leben und die Zuneigung der Menschen auch – diese Schlussfolgerung lag für den jungen Baruch de Spinoza nach solchen Erlebnissen nahe. So beschloss er, Philosoph zu werden und sein Glück in der Besinnung auf die Unendlichkeit zu suchen, die ihm fortan als Einzige verlässlich schien: »Nachdem die Erfahrung mich gelehrt hat, dass alles, was im täglichen Leben sich gewöhnlich ereignet, nichtig und wertlos ist, und da ich sah, dass alles, vor dem ich mich fürchtete und das ich fürchtete, nicht etwas Gutes oder Schlechtes in sich selbst enthielt, sondern nur insofern, als das Gemüt davon bewegt wurde, so beschloss ich endlich zu erforschen, … ob es etwas gebe, durch das ich … eine beständige und höchste Freude auf ewig genießen könne.«
    Mit dieser kurzen Selbstauskunft beginnt Spinozas »Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes« (um 1660). Sie ist nach damaliger literarischer Mode stilisiert, das wird aus dem Vergleich mit einem autobiographischen Text deutlich, den Spinozas Vordenker René Descartes seinen grundlegenden »Meditationen über die Erste Philosophie« (1641) vorangestellt hat: »Schon vor Jahren bemerkte ich, wie viel Falsches ich von Jugend auf als wahr hingenommen habe und wie zweifelhaft alles sei, was ich später darauf gründete; darum war ich der Meinung, ich müsse einmal im Leben von Grund auf alles umstürzen und von den ersten Grundlagen an ganz neu anfangen, wenn ich später einmal etwas Festes und Bleibendes in den Wissenschaften errichten wollte.«
    Um Gewissheit geht es Descartes wie Spinoza, genauer um die Gewissheit, die aus der Sorgfalt und Logik des Denkens erwächst – wir befinden uns im Zeitalter des Rationalismus, an der Schwelle zur Aufklärung. Descartes findet bekanntlich im Zweifel den festen Punkt, der ihm Gewissheit verschafft: »Cogito, ergo sum.« Als Zweifelnder erlebt der Mensch sich als denkend und damit als existierend – das gilt sogar für den Fall, dass ein böswilliger Gott ihm alle Gedanken nur zur Täuschung eingegeben hätte. Der Mensch denkt – und damit existiert er auch. Von hier ausgehend, setzt Descartes die erfahrbare Welt Stück für Stück wieder zusammen, die er vorher mit Hilfe des Zweifels auseinandergenommen hatte. Und er beruft sich jetzt übrigens doch wieder auf Gott als Garanten dafür, dass seine Weltwahrnehmung und -deutung richtig sind.
    Im Rahmen dieser Weltbetrachtung kommt der Franzose nun auch auf die Liebe zu sprechen, stilistisch in unübertroffener Nüchternheit: »Die Liebe ist eine Emotion der Seele, bewirkt durch die Bewegung der Lebensgeister, die sie dazu anreizt, sich willentlich mit den Objekten zu verbinden, die ihr als angemessen erscheinen.«
    Descartes war der ungekrönte philosophische König seiner Zeit. Er selbst hat nie geheiratet, aber spät im Leben drei nicht eheliche Kinder gezeugt, von denen John Aubrey, eine Art Klatschreporter der damaligen Epoche, sagte: »Wer ein solches Gehirn zum Vater hat, kann kein schlechter Mensch werden.« Allem Ruhm zum Trotz jedoch hinterließ der Franzose Descartes, der zeitweise wie Spinoza in Holland lebte und zuletzt einen Ruf der schwedischen Königin Christine nach Stockholm annahm,

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