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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Gemeinwohl verdienstvollsten Werke von ledigen oder kinderlosen Männern vollbracht worden«, lautet eine seiner Feststellungen. Er selbst hat erst mit 45 Jahren geheiratet. Alice Barnham, die Tochter eines Londoner Abgeordneten, war zu jenem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Ihr Bräutigam trug bei der Hochzeit einen gänzlich lilafarbenen Anzug, was auch damals nicht unbedingt der Mode entsprach. Die Ehe blieb kinderlos. Im Übrigens kursierte das hartnäckige Gerücht, Bacon sei schwul und gehe mit seinem Diener ins Bett. Selbst seine Mutter soll ihren Sohn nach der Hochzeit ermahnt haben, endlich damit aufzuhören.
    In seinen »Essays« – auch er kultivierte diese literarische Gattung – lässt der Brite indessen keinen Zweifel daran, wo er steht: auf der Seite der Vernunft, der Mäßigung. »Eheliche Liebe pflanzt das menschliche Geschlecht fort, freundschaftliche Liebe veredelt, aber wollüstige Liebe vergiftet und erniedrigt es.« Die leidenschaftliche Liebe möchte Bacon auf das Drama, auf die Theaterbühne beschränkt sehen: Dort gebe sie Stoff für Komödien und Tragödien her. »Allein im Leben richtet sie viel Unheil an, zuweilen wie eine Sirene, zuweilen wie eine Furie. Man kann feststellen, dass unter allen großen und verehrungswürdigen Menschen … sich nicht ein einziger befindet, der sich von der Liebe bis zur Unsinnigkeit hätte hinreißen lassen; woraus folgt, dass ein großer Geist und große Werke dieser schwächlichen Leidenschaft die Tür verschließen.« Als schwächend empfindet, ja fürchtet Francis Bacon die Liebe. Der Vernünftige müsse sich gut vor ihr schützen, denn: »Es scheint, als ob die Liebe, wenn auch selten, nicht nur in ein offenes, sondern auch in ein wohlbefestigtes Herz eindringen könnte, wenn es nicht gut bewacht wird.« Das eigene Herz zu verschließen ist also die beste Voraussetzung, der Liebe nicht zum Opfer zu fallen.
    Wer aber unvorsichtig und unwachsam ist, der riskiert, sich zum Narren zu machen. Und zwar deshalb, weil die Liebe die klare Sicht auf die geliebte Person völlig vernebelt. Liebende, so sagt Bacon, idealisieren den von ihnen angebeteten Menschen auf eine Weise, die alles übertrifft, was ein eitler Mensch sich jemals auf sich selbst einbilden könnte: »Es hat noch nie einen dünkelhaften Menschen gegeben, der eine so lächerlich gute Meinung von sich hatte wie ein Liebender von der geliebten Person.« Runter mit der rosa Brille, fordert Bacon, schon aus Gründen des Selbstschutzes! Denn wer sich hier nicht vorsieht, der hat zweierlei zu erwarten. Entweder gerät er an jemanden, der seine Liebe erwidert – dann ist die lächerliche Idealisierung gegenseitig. Oder, was noch viel schlimmer ist, der Geliebte erwidert die Zuneigung nicht. Dann wird er denjenigen nur verachten, der ihn durch die rosa Brille sieht. Denn er selbst kennt sich ja besser und weiß, wie wenig das Idealbild, das der andere von ihm hat, den Tatsachen entspricht. »Es ist nämlich eine untrügliche Regel, dass Liebe stets vergolten wird, sei es nun durch Erwiderung, sei es durch heimliche Verachtung.« In jedem Fall macht sich, wer liebt, unrettbar lächerlich.
    Was bleibt? Der Rat, den Francis Bacon gibt, klingt wenig romantisch: »Am besten halten die, die sich der Liebe nicht entschlagen können, sie fest im Zaum und trennen sie scharf von den ernsthaften Angelegenheiten und Geschäften des Lebens.« So kann die unselige Leidenschaft nicht zu viel Schaden anrichten. Oder man verteilt die Liebe auf sehr viele Menschen, dann entsteht daraus eine Mildtätigkeit, »wie man sie zuweilen bei Mönchen wahrnimmt« – das Programm der Sublimierung also.
    Es ist müßig zu fragen, ob aus diesen Worten vielleicht die Vorsicht eines Mannes spricht, der seine wahren Neigungen zeitlebens verbergen musste, um sein gesellschaftliches Ansehen nicht zu verlieren. Auch wenn die Theorie über seine Homosexualität nicht stimmt: Bacons Ansichten über die Liebe passen zu seiner ganzen Sicht auf die Welt und auf die aufblühenden empirischen Wissenschaften. Die Natur wird beherrschbar, das ist die Hoffnung jener Zeit. Was liegt näher als die Vorstellung, dass auch der Mensch sich selbst beherrschen könnte? Dass dies nur sehr eingeschränkt möglich ist, das ist eine spätere Erkenntnis, sie wird am Ende der Aufklärung stehen und im 20. Jahrhundert infolge der da stattfindenden grausigen Ereignisse mit voller Wucht durchschlagen. Dann aber wird es mit der Psychologie auch einen wissenschaftlichen

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