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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Wirbelsäulenverkrümmung. Mit den Jahren prägte sich ein Buckel aus, der seinem Träger auch das Atmen schwermachte und zu einer Lungeninsuffizienz führte. Infolge dieser Behinderung wurde Lichtenberg zeitlebens nicht größer als 1,44 Meter. Ein solcher Mann kann sich die Frauen vermutlich nicht aussuchen, mag er auch noch so geistreich sein.
    Geistreich war Lichtenberg allerdings! Berühmt geworden sind vor allem seine »Sudelbücher« – Gelegenheitsnotizen, die er in eigens angelegte Hefte eintrug. Ungefähr jeden dritten Tag hielt er Gelesenes fest und kommentierte Selbsterlebtes, stellte scharfsichtige Beobachtungen an und formulierte seine Einfälle. So wurde Lichtenberg, der von Haus aus Physiker war, unbeabsichtigt zum Begründer des deutschsprachigen Aphorismus.
    In Göttingen, wo er sich niedergelassen hatte, lernte der Physiker 1777 die elfjährige Maria Dorothea Stechard kennen, die außergewöhnlich schön war und als Blumenmädchen ihr Geld verdiente. Lichtenberg, damals Mitte dreißig, träumte davon, sie vor den Einflüssen der Straße zu bewahren und nach dem Vorbild Pygmalions zu bilden. Er lud sie und ihre Mutter ein, ein engerer Kontakt entspann sich. Doch in seine pädagogischen Absichten mischten sich schon bald erotische. 1779, wohl gleich nach ihrer Konfirmation, nahm Lichtenberg die »kleine Stechardin« zu sich. 1780 zog sie ganz zu ihm und wurde »ohne priesterliche Einsegnung meine Frau«. Zwei Jahre später starb sie an einer Kopfrose, einer Gürtelrose am Kopf. Lichtenberg trauerte tief. »In meinem Leben [bin ich] nie reicher und glücklicher gewesen«, schrieb er nach ihrem Tod an einen Freund.
    Ein körperlich benachteiligter Mann und ein Mädchen, ein Kind noch – nach heutigen Maßstäben war diese Beziehung Missbrauch, geprägt von ungleichen Machtverhältnissen. Als Machtspiel oder Machtkampf hat Lichtenberg die Liebe tatsächlich beschrieben, wenn er 1777 in einem Brief über die Kratzbürstigkeit seines »Katzen-Mädchens« klagt. Er schreibt den Frauen eine ihnen eigene Macht zu, die aus dem Begehren der Männer resultiere. Mit Empfindsamkeit à la Julie und Werther hat der Wissenschaftler nichts im Sinn und folglich auch nichts mit dem behaupteten Antagonismus von Gefühl und Sexualität. Wie er über die Liebe denkt, erklärt er 1777 in einem Brief an die Stechardin, in dem zugleich sein Wunsch deutlich wird, das Mädchen zur ebenbürtigen Gesprächspartnerin zu machen: »Sie sollen nicht allein meine Gedanken über Verlieben und Macht des Frauenzimmers hier in einem Auszuge sehen, sondern ich will Ihnen auch einen kurzen Entwurf meiner Methode zu philosophieren geben … und muss deswegen um zwei Dinge bitten: einmal, dass Sie denken, ich schriebe weder an Mann noch Weib, sondern bloß an eine vernünftige Seele. « Und zweitens soll die Stechardin, die vernünftige Seele, ihm den Brief nach der Lektüre wieder zurückgeben, damit andere, weniger vernünftige Seelen ihn nicht zu Gesicht bekommen.
    Wie nun sieht Lichtenberg die Liebe? Er gibt zunächst eine Negativdefinition, indem er fragt: Kann eine einzige Person, der oder die Geliebte nämlich, wirklich so einen unwiderstehlichen Reiz auf jemanden ausüben, dass derjenige »unvermeidlich in einen elenden Zustand geraten« muss, wenn er den geliebten Menschen nicht besitzen darf? Nein, sagt Lichtenberg zur Antwort, nein, diese Überzeugung teile er nicht. »Ich könnte sie auch bejahen, nichts ist wohlfeiler und leichter, ich werde sie auch künftig aus Gefälligkeit wieder bejahen oder auch, wenn künftige Erfahrungen das Cabinet bereichern, aus dem ich jetzt herausphilosophiere, woran ich aber … sehr zweifle.«
    Nachdem Lichtenberg auf diese Weise dem Mythos vom einzig passenden Partner eine Absage erteilt hat, fährt er scharfzüngig fort: »Die unwiderstehliche Gewalt der Liebe, uns durch einen Gegenstand höchst glücklich oder höchst unglücklich zu machen, ist poetische Faselei junger Leute, bei denen der Kopf noch im Wachsen begriffen ist.« Und dann – das ist wichtig – betont er, »dass ich den Zeugungstrieb nicht meine; der, glaube ich, kann unwiderstehlich werden, allein sicher hat ihn die Natur uns nicht eingeprägt, uns höchst unglücklich oder höchst glücklich zu machen. … Und doch rührt die ganze Verwirrung in diesem Streit aus nicht genugsamer Unterscheidung ebendieses Triebes, der sich unter sehr verschiedener Gestalt zeigt, und der schwärmenden Liebe.«
    Gefühle sind nicht zu

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