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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Wahrnehmungen. Hume nennt diese Sinneswahrnehmungen »impressions«, Eindrücke, und erklärt weiter: Die Eindrücke erzeugen Bilder in uns, sogenannte »ideas«. Das sind Vorstellungen, mit deren Hilfe wir die Eindrücke überhaupt erst verstehen. Die Vorstellungen sind in unserem Bewusstsein quasi als Kopien der Eindrücke gespeichert. Dabei setzen wir mehrere einfache Vorstellungen zu komplexen Vorstellungen zusammen, indem wir mit Hilfe unserer Einbildungskraft Verbindungen zwischen ihnen assoziieren. Wenn etwa B gewohnheitsmäßig auf A folgt, so entwickeln wir daraus die komplexe Idee der Kausalität.
    Ob die Gegenstände, die wir als Wirklichkeit wahrnehmen, aber »wirklich« existieren oder eben nur als Eindruck und Vorstellung in unserem Bewusstsein, das können wir niemals herausfinden. Nicht einmal die Annahme, dass es unser Bewusstsein unabhängig von unseren Vorstellungen gibt, ist irgendwie gesichert. Für Hume war die Seele oder das Bewusstsein tatsächlich ein Bündel fortwährender Eindrücke und Vorstellungen, »a bundle of perceptions in a perpetual flux and movement«.
    Was bedeutet das für Humes Liebeskonzept? Erinnern wir uns: Er betrachtete die Liebe als Kombination aus Gefühl, dem Zeugungstrieb und Gefallen an der Schönheit. Jedes der drei Dinge ist ein einzelner Eindruck, verbunden mit einer einzelnen Vorstellung. Zusammen ergeben die drei eine komplexe Vorstellung. Dabei ist es fast gleichgültig, ob zuerst das Gefühl, der Zeugungstrieb oder die Wahrnehmung der Schönheit auftritt – die beiden anderen werden bald folgen. »Jemand, der in sinnlicher Begierde entbrannt ist, fühlt wenigstens eine vorübergehende freundschaftliche Gesinnung für den Gegenstand derselben und hält ihn gleichzeitig für schöner als sonst. Viele fangen mit freundlicher Gesinnung und Achtung vor dem Geist und der Vortrefflichkeit eines Menschen an und gelangen von da aus zu den andren Affekten.« Allerdings glaubt Hume doch, dass die Schönheit der wirkungsvollste Eindruck ist, dass sie also am sichersten Liebe erzeugt: »Der häufigste Fall ist aber der, dass die Liebe zuerst durch Schönheit hervorgerufen wird und hernach freundliche Gesinnung und körperlicher Trieb hinzutreten.« Zumal Trieb und Hochachtung allein schlecht miteinander bestehen können. Sie liegen nach Hume zu weit auseinander und brauchen daher dringend die Schönheit als verbindende Instanz.
    Heißt das, dass ohne Schönheit keine Liebe möglich sei? Aber was ist Schönheit überhaupt, wenn wir von der Welt um uns herum nichts verlässlich kennen außer unseren Eindrücken? Die Antwort lautet, dass wir darauf verzichten müssen, von objektiver Schönheit zu sprechen. Schön ist für uns, was wir als schön wahrnehmen und wovon wir die Vorstellung abspeichern, es sei schön. So lieben wir, was wir schön finden, und finden schön, was wir lieben. Frisch Verliebte werden das sofort bestätigen.
    Vergleicht man Humes Konzept mit den älteren von Descartes und Spinoza, dann fällt die positive Grundstimmung im Denken des Schotten auf. Wo die beiden Rationalisten den Liebenden als Opfer von Täuschungen ins Unglück gehen sahen, da lächelt Hume und sagt: Wir sollen lieben, wir wollen lieben, und wir sind von der Natur so eingerichtet, dass wir es tun. Zu diesem Schluss kommt Hume ganz ohne Hilfskonstruktionen wie ewige Ideen oder Ähnliches, sondern allein dadurch, dass er beobachtet, was im menschlichen Bewusstsein vor sich geht. Ganz genauso begründet er dann auch seine Moralphilosophie, also sein Nachdenken darüber, wie der Mensch sich am besten zu verhalten habe: Wie die Vorstellungen von Schönheit, Trieb und Zuneigung angenehm auf denjenigen wirken, der sie hegt, so muss sich auch ein als gut bewertetes menschliches Verhalten für alle Beteiligten möglichst angenehm anfühlen – sonst entspräche es nicht den arterhaltenden Zwecken der Natur. Folglich muss das beste und wünschenswerteste Verhalten das sein, was einem selbst und den anderen am meisten nützt. Woraus Hume schließt: Selbstliebe und Sympathie sind die beiden Antriebskräfte für moralisches Verhalten. Moral speist sich für ihn statt aus kalter Vernunft aus einem moralischen Gefühl (»moral sense«), einer Art Empathie.
    Kein Wunder, dass die Damen des Pariser Adels einen solchen Mann attraktiv fanden – sie liebten seinen Geist und übertrugen die hier wahrgenommene Schönheit auf die Wahrnehmung von Humes Äußerem. Trotzdem blieb der Philosoph nicht in

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