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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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ist eine wahre Ehre. Ist es nicht ein Segen, die Männer damit erquicken zu können?«
    Neben der Gräfin war es eine schöne und vornehme Bankiersgattin, Maria Charlotte Jacobi, die Kants Gesellschaft sehr schätzte. Im Sommer 1762 schrieb sie an den damals 38-Jährigen, nachdem sie ihn einmal wider Erwarten nicht angetroffen hatte: »Meine Freundin und ich überschicken Ihnen einen Kuss per Sympathie. Die Luft wird doch wohl im Kneiphof dieselbe sein, damit unser Kuss nicht die sympathetische Kraft verliert.« Sie sei jetzt dabei, für ihn ein Degenband zu verfertigen. »Ich mache Ansprüche auf Ihre Gesellschaft morgen Nachmittag. Ja, ja, ich werde kommen, höre ich Sie sagen. Nun gut, wir erwarten Sie, dann wird auch meine Uhr aufgezogen werden; verzeihen Sie mir diese Erinnerung.« Allerdings war die Schöne ja verheiratet, und bei Kants Prinzipientreue wird zwischen ihm und ihr sicher nicht mehr gewesen sein.
    Dass überhaupt jemals irgendwo mehr war, wird bezweifelt. Ein Kant-Biograph berichtet, ihm seien »zwei seiner ganz würdige Frauenzimmer … bekannt, die nacheinander sein Herz und seine Neigung an sich zogen«. Der Philosoph jedoch »zögerte mit dem Antrage, der wohl nicht abgewiesen worden wäre, und darüber zog eine von diesen in eine entferntere Gegend und die andere gab einem rechtschaffenen Manne sich hin, der schneller als Kant im Entschließen und Zusagefordern war«. Kant tröstete sich später damit, dass er in den Zügen älterer Junggesellen mehr Jugendlichkeit zu finden glaubte als in denen verheirateter alter Männer … Statt einer Ehefrau wachte also der treue Diener Lampe über seinen Tagesablauf – nach dem irgendwann ganz Königsberg die Uhr stellen konnte: 5 Uhr Wecken, danach Arbeit, 7 bis 9 Uhr Vorlesungen, 9 bis 13 Uhr Forschen und Schreiben, danach Mittagessen in geselliger Runde, 15.30 Uhr Spaziergang, anschließend Weiterarbeiten, 22 Uhr Schlafenszeit.
    Nur am Rande sei ein Briefwechsel zwischen dem 67-jährigen Kant und der 22-jährigen Maria von Herbert aus Klagenfurt erwähnt: Die Tochter eines kinderreichen Bleiweißfabrikanten und Schwester des Kant-Verehrers Franz Paul von Herbert hatte sich 1791 ratsuchend an den »großen Cant« gewandt, denn sie litt unter Liebeskummer. Die Leidenschaft ihres Freundes war merklich abgekühlt, nachdem sie ihm gebeichtet hatte, dass dieser Beziehung eine andere vorausgegangen war, die dann aber gescheitert war. Kant antwortete ihr: Der Mensch dürfe zwar nicht lügen, wohl aber Zurückhaltung üben. Man sei nicht verpflichtet, immer alles offenzulegen. Maria von Herbert hätte also nicht beichten müssen. Zwei Jahre später schrieb die Klagenfurterin dem Philosophen erneut. Die Liebe ihres Freundes hatte sie nicht zurückgewonnen und fühlte sich so leer, dass sie sich »selbst fast überflüssig« war. Auf diesen Brief und einen dritten, in dem sie ihren Wunsch äußerte, nach Königsberg zu reisen, erhielt sie keine Antwort mehr.
    In Kants Schriften kommen die Liebe und auch die Ehe mehrfach vor: in einer Ethik-Vorlesung aus den 1770er Jahren sowie in der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« (1785) und in der »Metaphysik der Sitten« (1797). Grundsätzlich unterscheidet er zweierlei Arten von Liebe: die wohlwollende Liebe (amor benevolentiae) und die Liebe des Wohlgefallens (amor complacentiae). Die zweite bezieht sich auf sinnliche oder geistige Eigenschaften des geliebten Menschen. Sie ist ein Gefühl und kann – das ist entscheidend – nicht befohlen werden. Sie ist da oder nicht. »Liebe ist eine Sache der Empfindung, nicht des Wollens, und ich kann nicht lieben, weil ich will, noch weniger aber, weil ich soll (zur Liebe genötigt werden); mithin ist eine Pflicht zu lieben ein Unding.« Mit anderen Worten: In wen wir uns verlieben, darüber kann niemand bestimmen – nicht einmal wir selbst. Diese Liebe unterliegt nicht dem freien Willen. Und sie birgt einige Risiken, wie wir noch sehen werden.
    Wohltemperiert erscheint dagegen jene andere Liebe, die sich nicht an Aussehen oder Geist des geliebten Menschen entzündet, sondern an unserem Wunsch, dass es ihm gutgehen möge. Dieses Wohlwollen (für den anderen etwas Gutes wollen) ist uns schon mehrfach begegnet: etwa als Liebe unter Freunden bei Aristoteles, als Nächstenliebe bei Augustinus und zuletzt als wohlwollende Gesinnung, die für den geliebten Menschen das Beste will, bei David Hume.
    Für Kant ist dieses Wohlwollen eine Pflicht, zu der sich jeder Mensch

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