Ein unbeschreibliches Gefuehl
Frankreich: »Ich bin mir bewusst, dass ich hier nicht am richtigen Orte bin; ich sehne mich zwei- oder dreimal am Tage nach meinem Lehnstuhl und nach meinem Schlupfwinkel.« Zuletzt lebte er in Edinburgh, versammelte einen Kreis von Freunden um sich, entfaltete eine Leidenschaft für das Kochen und starb schließlich »in völliger Ruhe des Geistes«, wie sein Landsmann und guter Freund, der Philosoph und Begründer der Nationalökonomie Adam Smith, berichtete. Zur Freundschaft scheint »le bon David«, wie man ihn wegen seines angenehmen und sanften Wesens schon zu Lebzeiten nannte, ausgesprochen begabt gewesen zu sein.
Das Lob der Ehe
D ie wohlwollende Gesinnung, die David Hume als eine von drei Zutaten der Liebe bezeichnete, hat auch ein anderer Philosoph geschätzt – einer, der, ebenso wie Hume, in seinem eigenen Leben eher die Freundschaft als die Liebe praktiziert hat: Immanuel Kant. Wenn er über die Liebe zwischen Mann und Frau nachdachte, dann ging es ihm vor allem darum, dass sich in die Liebe kein Besitzdenken einschleicht, kein gedankenloses Verfügenwollen über den anderen. Das macht Kants Aussagen über die Liebe bis heute interessant, auch wenn in der Überlieferung eher ein Kant-Bild überlebt hat, das den großen Philosophen als schrulligen Junggesellen zeigt.
Von Immanuel Kant stammt eines der größten philosophischen Werke überhaupt. Der 1724 in Königsberg Geborene hat viele überkommene Gewissheiten erschüttert und das Vertrauen in die menschlichen Erkenntnisfähigkeiten stark zurechtgestutzt, weshalb er von seinem Kollegen und Zeitgenossen Moses Mendelssohn der »Alleszermalmer« genannt wurde. Kant hat nämlich ein für alle Mal festgestellt, dass der Mensch sich selbst und die Welt immer schon in bestimmten Anschauungsformen und Kategorien wahrnimmt: geordnet nach Raum und Zeit, nach Einheit und Vielheit, nach Ursache und Wirkung und so weiter. An diese Formen und Kategorien, die das Ichbewusstsein strukturieren, ist unsere Erkenntnis gebunden. Nur Gegenstände und Ereignisse, die ihnen entsprechen, können Objekt unserer Erfahrung sein, nur sie nehmen wir wahr – aber eben als Erscheinungen, nicht als »Dinge an sich«, die losgelöst von unserer Wahrnehmung wären. Das war ein schwerer, ein »zermalmender« Schlag für alle, die glaubten, mit genügend Verstand und Wissen werde es irgendwann gelingen, »hinter« die Erscheinungen zu schauen und die Dinge zu erkennen, wie sie »an sich« sind.
Denkerisch ein »Alleszermalmer«, in Liebesdingen aber ein unerfahrener und etwas komischer Sonderling – lange schwirrte dieses Bild von Kant umher. Doch es ist allzu klischeehaft. Zwar weiß man: Er hat nie geheiratet, und er war pedantisch bis hin zur Zwanghaftigkeit. Doch schon, dass er ausschließlich Männerfreundschaften gepflegt haben soll, stimmt nicht. In den 1760er Jahren, als der studierte Philosoph und Naturwissenschaftler noch als Privatdozent und Bibliothekar arbeitete, muss er ein nicht nur geistreiches, sondern auch elegantes Mitglied der guten Königsberger Gesellschaft gewesen sein. Der spätere Dichter und Kulturphilosoph Johann Gottfried Herder hörte bei ihm Vorlesungen und berichtete: Kant hatte »in seinen blühendsten Jahren … die fröhliche Munterkeit eines Jünglings, die, wie ich glaube, ihn auch in sein greisestes Alter begleitet. Seine offene, zum Denken gebaute Stirn war ein Sitz unzerstörbarer Heiterkeit und Freude; die gedankenreichste Rede floss von seinen Lippen; Scherz und Witz und Laune standen ihm zu Gebot, und sein lehrender Vortrag war der unterhaltendste Umgang.«
Und diesen Umgang suchten durchaus auch Frauen. So setzte etwa Charlotte Caroline Amalie Gräfin von Keyserling, deren Söhne Kant zeitweilig unterrichtete und die von ihm ein Bildnis anfertigte, den Denker bei ihren Einladungen meist direkt neben sich. Umgekehrt nannte Kant die Gräfin »eine Zierde ihres Geschlechts«. Das wiegt umso schwerer, als er eher konventionelle Vorstellungen von der Rolle der Frau besaß, in welche die gräfliche Gelehrsamkeit eigentlich schlecht hineinpasste. So soll er nach anderer Überlieferung mit Frauen gern über vermeintliche Frauendinge wie das Kochen gesprochen haben – aus Verlegenheit vielleicht? Eine seiner Gesprächspartnerinnen erwiderte ihm einmal bei einer solchen Gelegenheit: »Auch Frauen können Verstand haben. Ihr haltet wohl Frauen für reine Köchinnen?« Woraufhin Kant entgegnete: »Sagt das nicht so. Die Kenntnis der Kochkunst
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