Ein unbeschreibliches Gefuehl
»hässliches Entlein« bedeutet. Doch Hegel war glücklich. Er pries seine Ehe in Gedichten und zeugte mit seiner Frau eine Tochter, die leider früh starb, sowie zwei Söhne. Wenn er unterwegs war, schrieb er ausführliche und liebevolle Reiseberichte an Maria. Etwa am 11. September 1824 aus Teplitz: »Also in Teplitz, meine Liebe, so weit bin ich – und ich wollte, du wärst bei mir …«
Als der Philosoph mit 61 Jahren an der Cholera (oder aber an einem langjährigen Magenleiden) starb, trauerte seine Frau sehr, wie diese Briefzeilen zeigen: »Ihr mögt es Schwärmerei nennen – ach, ihr wisst nicht – wie ruhig, erhaben u. wie beseligt ich bin von dem, was mir geistig durch ihn geworden ist – sind es auch nur Nachklänge, ist es auch nur ein Glauben u. nicht ein Schauen, so ist es doch genug, mir Ruhe u. Frieden zu geben u. mich zu erheben über alle gemeinen Tränen. Aber das arme Herz ist nicht immer gleich stark – ich muss von ihm [Hegel] gehalten u. gehoben u. gescholten werden, das bin ich gewohnt, an seine Stelle treten nun seine Freunde.«
Die Liebe und der Tod: In Hegels frühen Reflexionen über die Liebe treten diese beiden zusammen auf. Während er in Frankfurt am Main als Hauslehrer lebte – eine seiner Etappen auf dem mühseligen Weg zur Professur –, verfasste er 1797/98 ein Fragment »Über die Liebe«. Darin beschreibt er die Liebe in einem Dreischritt, der vom Eigenen über das Fremde (»das Getrennte«) bis zum Aufgehen der beiden in einer neuen, lebendigen Einheit geht: »In der Liebe ist das Getrennte noch, aber nicht mehr als Getrenntes, [sondern] als Einiges, und das Lebendige fühlt das Lebendige.« Die Liebe ist das Bemühen, sich selbst in der Hingabe an den anderen aufzugeben und dabei eben nicht zu sterben, sondern unsterblich zu werden. »So können Liebende sich nur insofern unterscheiden, als sie sterblich sind, als sie diese Möglichkeit der Trennung denken … Die Liebe strebt aber auch diese Unterscheidung, diese Möglichkeit als bloße Möglichkeit aufzuheben und selbst das Sterbliche zu vereinigen, es unsterblich zu machen.«
Schon hier, in dieser frühen Schrift Hegels, zeigt sich also der Dreischritt, der später, dem Schellings ähnlich, zum Kennzeichen seiner Philosophie werden wird: These, Antithese, Synthese. Knapp zehn Jahre später, in der »Phänomenologie des Geistes« (1807), tritt dann an die Stelle der Liebe der Geist. Nun sieht der Dreischritt, auf die Weltgeschichte angewendet, so aus: Am Anfang war der Geist. Und als vom Christentum geprägter Philosoph sagt Hegel: Dieser Geist ist Gott, und zwar, bevor er die Welt erschaffen hat. In diesem Stadium ist er allein, er ist »an sich«. Doch dann öffnet er sich, er verschenkt sich – und es entsteht die raumzeitliche Natur, die Welt. Das ist der Nicht-Geist, die Schöpfung. Sie ist »das Andere«, das Gott sich gegenübergestellt hat. Im dritten Schritt kommt der Geist dann stufenweise wieder zu sich selbst zurück. Und zwar so, indem er sich selbst in der Welt erkennt und dadurch die Welt, »das Andere«, wieder in sich hineinholt. Am Ende ist der Geist »an und für sich«, das heißt komplett, mitsamt seinem Gegensatz, den er wieder in sich hat. Indem die Philosophie solche Gedanken hervorbringen kann, so sagt Hegel, ist der Geist auf dem Weg zu sich selbst übrigens schon recht weit gekommen.
Im Fragment »Über die Liebe« ging es um die Überwindung der Sterblichkeit in der liebenden Vereinigung. In Hegels ausgestaltetem System ist daraus das Sich-selbst-Erkennen des Geistes im Anderen geworden. Die Bewegung aber ist dieselbe geblieben: vom Ich über das Nicht-Ich zum Wir. In Hegels »Vorlesungen über die Ästhetik«, die nach seinem Tod herausgegeben wurden, wird der Dreischritt schließlich noch einmal variiert. Da sieht Hegel das Wesen der Liebe darin, »das Bewusstsein seiner selbst aufzugeben, sich in einem anderen Selbst zu vergessen, doch in diesem Vergehen und Vergessen sich erst selbst zu haben und zu besitzen«.
Sich selbst verschenken, sich entäußern, sich vergessen, um sich in dieser Begegnung wiederzubekommen und wiederzufinden, aber in einer neuen Realität – dieses mehrfach durchdeklinierte Hegelsche Muster beschreibt auf fast poetische Weise einen wichtigen Aspekt der Liebe. Wer sich verliebt, der empfindet ganz stark das Neue, das nun sein Leben bestimmt, der öffnet sich einem anderen Menschen, der »verschenkt sein Herz«, wie es heißt. Er vertraut sich
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