Ein unbeschreibliches Gefuehl
ausrufen und seinen Pudel streicheln. Kann ja sein, werden wir ihm dann antworten. Und: Gut, dass wir es wissen. Aber zuerst leben wir doch!
»Hof zu Hof« und »Geld zu Geld«
W enden wir uns noch einmal der Ehe zu. Aus demselben Anliegen heraus wie Immanuel Kant – um nämlich die Integrität des Einzelnen zu schützen – und doch diametral entgegengesetzt zu dem Königsberger Philosophen bewertete knapp ein Jahrhundert nach ihm Karl Marx diese Institution.
Der Trierer Philosoph und Nationalökonom sah bekanntlich, anders als die meisten Philosophen vor ihm, nicht im Geist, sondern im Materiellen, in der Lebenswelt des arbeitenden Menschen, die eigentliche Wirklichkeit: »Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle«, schrieb er 1872 im Nachwort zur 2. Auflage seines Hauptwerks »Das Kapital«. Was die Menschen denken und glauben, das ist bestimmt von ihrer materiellen Lebenswelt, nicht umgekehrt.
Diese Lebenswelt nun, so sagt Marx, ist geprägt durch die Produktivkräfte wie Rohstoff und Arbeitskraft und durch die Produktionsverhältnisse, die Ausdruck der jeweiligen Eigentumsverhältnisse sind. Mit anderen Worten: Wer etwas besitzt, hat Einfluss darauf, wie Arbeitskräfte und Rohstoffe verteilt werden und wem sie zugutekommen. Und weil diese Eigentumsverhältnisse zu Lasten des im 19. Jahrhundert angewachsenen Industrieproletariats gehen, müssen sie verändert werden: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern «, stellte Marx 1845 in seinen erst posthum veröffentlichten »Thesen über Feuerbach« fest.
Als Ausdruck von Eigentumsverhältnissen begriff er nun auch die Institution der Ehe. Sie sei »eine Form exklusiven Privateigentums« und werde mit dem Ziel geschlossen, Kapital zu vermehren. Damit lag Marx sicher nicht falsch, was die meisten Ehen seiner Zeit betraf. Zwar hatte das Bürgertum längst sein Ideal der romantischen Liebe formuliert, doch wurde in der Realität zumeist immer noch nach dem Prinzip geheiratet, dass Hof zu Hof und Geld zu Geld kamen. Ehen waren vor allem Wirtschaftsgemeinschaften. Außer für die Proletarier natürlich, denn die waren ja von den Produktionsmitteln ausgeschlossen. Bei ihnen, so Marx, sei die Ehe einerseits auf »die tierische Funktion des Zeugens« beschränkt. Andererseits äußere sich gerade hier, weil die materielle Komponente fehle, schon eine höhere Form der Liebe.
Die Liebe hat nämlich nach Marx eine gesellschaftsverändernde Funktion: Sie soll über die Grenzen der Familie hinausgehen und zur Solidarität innerhalb der Arbeiterklasse insgesamt werden. Doch sie ist gefährdet – eben durch das Besitzdenken. Denn das, so Marx, verschwindet auf dem Weg zum Kommunismus leider nicht sofort, sondern es überlebt zunächst noch, und zwar als Missverständnis: als Annahme, dass der Besitz nun statt wenigen vielen gehören werde. In dieser frühen Phase sei der Kommunismus daher »roh und gedankenlos« – auch, was die Beziehungen zwischen Männern und Frauen angehe, sagt Marx weiter.
Zwar werde die exklusive Ehe dann nicht mehr existieren. Aber in Gestalt der »freien Liebe«, die auf Promiskuität und Verfügbarkeit der Frauen für alle hinauslaufen werde, werde der bürgerliche Eigentumsgedanke in dieser Frühphase des Kommunismus zunächst weiter überleben. Ziel sei aber letztlich, das Besitzdenken gänzlich zu überwinden – im Materiellen wie in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen. So landet Karl Marx, wenn auch mit gänzlich anderer Bewertung der Ehe, doch bei demselben Ziel wie Immanuel Kant: bei der Achtung vor der Integrität des anderen in der Liebe. Eine ungewöhnliche Allianz zwischen zwei Philosophen, die sonst eher wenig miteinander zu tun haben!
Wie bei manchen Denkern vor und nach ihm wirft nun aber seine Lebenspraxis ihr eigenes Licht auf Karl Marx’ Theorien. Verheiratet war er mit der vier Jahre älteren preußischen Beamtentochter Jenny von Westphalen. Die beiden kannten einander seit Trierer Jugendzeiten, er war stolz auf die Begehrtheit seines »schönsten Mädchens von Trier«, seiner »Ballkönigin«, wie er seiner Angebeteten schrieb. Nach siebenjähriger Verlobungszeit heiratete das Paar 1843. Jenny gebar ihrem Mann sieben Kinder, von denen nur drei Mädchen überlebten, sie teilte mit ihm die Arbeit, die Armut und das Londoner Exil.
In London dann kam ein weiteres Kind zur Welt: Die
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