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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Grund, sich zu schämen", flüsterte er und kraulte ihr die Ohren. „Du bist ein ganz wackeres Mädchen, und wenn du es nicht mehr allein die Treppe hinauf schaffst, stehe ich gern zu Diensten."
    Lady Grey ließ tief schnaufend ihren Kopf auf die Decke sinken.
    Alistair stand auf und trat ans Fenster, aus dem er den Garten überblicken konnte. Oder das, was einst der Garten gewesen war. Eine Terrassenanlage führte hinunter an den Bach. Dahinter nichts als grün und violett schimmerndes Hügelland bis zum Horizont. Die Wege und halb verfallenen Mauern des Gartens waren von Unkraut überwuchert. Seit Jahren war dort nichts mehr gemacht worden. Genauer gesagt, seit er aus den Kolonien zurück war.
    Er war auf dieser Burg zur Welt gekommen und hier aufgewachsen. An seine Mutter konnte er sich nicht erinnern. Keine drei Jahre war er gewesen, als sie bei der Geburt eines tot geborenen Mädchens gestorben war. Der frühe Tod seiner Mutter hätte dunkle Schatten auf die Burg und ihre Bewohner werfen können, doch dem war nicht so. Obwohl seine Mutter sehr geliebt worden war, erinnerte Alistair sich an eine schöne, sorglose Kindheit. Stundenlang war er in den Bergen umhergestreift, hatte mit seinem Vater im Bach geangelt und mit seiner älteren Schwester Sophia über Geschichte und Philosophie debattiert. Alistair lächelte ironisch. Meist hatte Sophia das letzte Wort gehabt — nicht nur, weil sie die Ältere war, sondern weil sie einfach den schärferen Verstand hatte.
    Damals hatte er noch gedacht, dass auch er irgendwann einmal heiraten würde. Er würde seine Braut heim nach Castle Greaves führen und eine weitere Generation Munroes aufziehen, so wie seine Ahnen vor ihm. Mit dreiundzwanzig war er mit einem Mädchen namens Sarah verlobt gewesen, doch ehe sie hatten heiraten können, war sie einem Fieber erlegen. Seine Trauer hatte ihn jahrelang davon abgehalten, eine neue Verbindung einzugehen; irgendwann waren ihm dann seine Studien wichtiger gewesen. Mit achtundzwanzig war er in die Kolonien gereist und drei Jahre geblieben, ehe er mit einunddreißig und vorzeitig gealtert zurückgekehrt war.
    Und nach seiner Rückkehr aus den Kolonien ...
    Gedankenverloren strich er über seine Augenklappe und ließ seinen Blick über die weiten Ländereien schweifen. Danach war es wohl zu spät gewesen, nicht wahr? Nicht nur sein Auge war ihm genommen worden, auch seine Seele. Was geblieben war, taugte nicht für gepflegte Gesellschaft, dessen war er sich bewusst. Er hielt sich seitdem von anderen Menschen fern — um sich zu schützen und, was vielleicht noch wichtiger war, um sie vor sich zu schützen. Unermessliches Leid hatte er gesehen, hatte den fauligen Atem des Todes gerochen. Er wusste, dass unter dem Schein der Wohlanständigkeit einer jeden Gesellschaft die Barbarei lauerte. Der bloße Anblick seines Gesichts erinnerte andere daran, wie nahe sie alle der animalischen Kreatur waren. Ein grausames Geschöpf, das jederzeit zuschlagen und auch sie treffen könnte.
    Er hatte sich damit abgefunden und sich in sein Schicksal gefügt. Zufrieden war er hier, wenn auch nicht gerade glücklich. Er hatte seine Studien; er hatte die Berge und seinen Bach. Zur Gesellschaft hatte er Lady Grey.
    Und dann war sie hier aufgetaucht.
    Er konnte es nicht gebrauchen, dass diese umtriebige, so schöne Frau auf einmal in sein Haus und in sein Leben platzte. Das hier war sein Refugium. Was fiel ihr ein, alles auf den Kopf zu stellen? Und dieses plötzliche Aufwallen der Begierde, das seine Muskeln sich spannen und seine Haut kribbeln ließ, dass es kaum zum Aushalten war, konnte er erst recht nicht gebrauchen. Sie wäre entsetzt — angewidert ! —, wenn sie wüsste, was in ihm vorging.
    Schaudernd wandte sich Alistair vom Fenster ab. Bald würde sie es so oder so leid sein, die Haushälterin zu spielen, und einen anderen Unterschlupf finden, um sich zu verstecken, wovor — oder vor wem — auch immer sie auf der Flucht war.
    Bis dahin wollte er Sorge tragen, dass sie ihn nicht länger von seiner Arbeit abhielt.
    „Zwei Wochen ist es jetzt her", sagte Algernon Downey, Duke of Lister, in ruhigem, beherrschtem Ton. „Ich hatte Ihnen aufgetragen, die besten Leute Londons damit zu betrauen. Wie schwer kann es sein, eine allein reisende Frau mit zwei Kindern aufzuspüren?"
    Bei der letzten Silbe fuhr er herum und blickte Henderson, seinen getreuen Sekretär, eisig an. Sie befanden sich in Listers Arbeitszimmer, einem eleganten Raum, der kürzlich

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