Ein unbezaehmbarer Verfuehrer
erst in Weiß, Schwarz und Dunkelrot neu ausgestattet worden war. Es war ein Zimmer, wie es für einen Duke und den fünftreichsten Mann Englands angemessen war. Ganz am Ende saß Henderson auf einem Stuhl vor Listers mächtigem Schreibtisch. Henderson war ein kleiner, schmächtiger Mann, zäh und nüchtern. Die Augengläser hatte er auf die Stirn geschoben. Zwischen den Fingern einen Bleistift und auf dem Knie einen Schreibblock, machte er sich mit zitternder Hand Notizen.
„Ich muss gestehen, dass es sehr unerfreulich ist, Euer Gnaden, und bitte vielmals um Entschuldigung", flüsterte Henderson und blätterte hektisch in seinen Notizen, als hoffe er, dort die Antwort auf seine eigene Unfähigkeit zu finden. „Wir sollten aber nicht vergessen, dass Mrs Fitzwilliam gewiss eine Verkleidung für sich und die Kinder gewählt hat. Zudem ist England ein großes Land."
„Ich weiß selbst, dass England ein großes Land ist, Henderson. Ich will Ergebnisse, keine Entschuldigungen."
„Gewiss, Euer Gnaden."
„Man sollte meinen, dass meine Ressourcen — meine Männer, mein Vermögen, meine Kontakte — genügen sollten, sie längst gefunden zu haben."
Henderson nickte mehrmals mit dem Kopf wie ein Spatz, der nach Krumen pickte. „Natürlich, Euer Gnaden. Wenn ich daran erinnern dürfte, dass wir ihrer Spur bis zur Straße nach Norden gefolgt sind, woraus wir ..."
Lister schnitt ihm mit einer gereizten Geste das Wort ab. „Das war vor bald einer Woche, Henderson. Sie könnte eine falsche Fährte gelegt haben und weiter nach Westen, nach Cornwall oder Wales, gefahren sein. Wir wissen nichts! Sie könnte längst an Bord eines Schiffes und auf dem Weg in die Kolonien sein! Es ist untragbar, völlig untragbar. Wenn die Männer, die wir auf sie angesetzt haben, unfähig sind, sie zu finden, dann heuern Sie neue an. Aber ein bisschen flott!"
„Natürlich. Wie Sie wünschen, Euer Gnaden." Henderson leckte sich nervös die Lippen. „Ich werde mich sogleich darum kümmern. Wenn wir nun noch über die Reise der Duchess nach Bath ..."
Henderson leierte die Reisepläne von Listers Gattin herunter, doch der Duke hörte kaum hin. Seit seinem siebten Lebensjahr war er der Duke of Lister; ein Titel, der Jahrhunderte alt war. Lister hatte seinen angestammten Platz im Oberhaus, er besaß Ländereien, Häuser, Bodenschätze, Schiffe. Gentlemen jeden Ranges respektierten und fürchteten ihn. Und da erdreistete sich dieses Weibsbild — noch dazu die Tochter eines Quacksalbers! —, ihn einfach zu verlassen und — Gipfel der Unverschämtheit! — seine illegitimen Nachkommen mitzunehmen.
Nicht hinnehmbar! Das Ganze war schlicht und ergreifend nicht hinnehmbar!
Lister schlenderte zu den hohen Fenstern seines Arbeitszimmers, die mit schwarzweiß gestreifter Seide drapiert waren. Er würde sie finden, würde sie und die Kinder zurückbringen lassen, und dann würde er ihr zeigen, wie unklug es war, sich ihm zu widersetzen. Wie konnte sie es wagen? Niemand, der seines Lebens noch froh werden wollte, widersetzte sich ihm.
Niemand.
4. Kapitel
Als Wahrsprecher keinen Bissen mehr herunterbekam, führte der junge Mann ihn in ein großes, wunderschönes Gemach und wünschte ihm eine gute Nacht. Der tapfere Soldat sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf, und als er des Morgens erwachte, sah er seinen Gastgeber bereits an seinem Bett stehen.
„Ich suche einen tapferen Burschen, der mir eine Aufgabe erfüllt", sagte der junge Mann. „Traut Ihr Euch das zu?"
„Ja ", antwortete Wahrsprecher sogleich.
Der schöne junge Mann lächelte. „Nun, wir werden sehen ... "
Aus „Der Wahrsprecher"
M rs McCleod war eine große, für eine Köchin erstaunlich hagere Frau. Mürrisch und wortkarg war sie noch dazu. Sie sei Köchin in einem vornehmen Haus in Edinburgh gewesen, aber Lärm und Betriebsamkeit der großen Stadt hätten ihr nicht zugesagt, weshalb sie sich lieber in Glenlargo niedergelassen hätte, wo ihr Bruder Bäcker war. Insgeheim fragte Helen sich, ob Mrs McCleod das geruhsame Leben in Glenlargo und die Arbeit in der Bäckerei nicht allmählich langweilten, denn sie hatte nicht lange gezögert, die Stelle als Köchin auf Castle Greaves anzunehmen.
„Ich hoffe, die Küche genügt Ihren Ansprüchen", sagte Helen jetzt und strich nervös ihre Schürze glatt.
Die Köchin war beinahe so groß wie ein Mann, ihr Gesicht war breit und schlicht. Mit ausdrucksloser Miene knetete sie den Pastetenteig, rollte ihn mit ihren großen,
Weitere Kostenlose Bücher