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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Bildnisse alter Ritter und Krieger standen zwischen den gestutzten Eibenbäumen. In einem Vogelkäfig flatterten Schwalben, schlugen vergebens mit den Flügeln gegen die Stäbe. In der Mitte des Gartens befand sich ein noch größerer schwerer, eiserner Käfig. Der Boden war mit schmutzigem Stroh bedeckt, und in der hintersten Ecke kauerte ein riesiges Ungetüm. Von stumpfer, schwarzer Farbe war es, mit räudigen Schuppen und verfilztem Fell. Es musste wohl an die drei Meter messen und hatte gewaltige Hörner, die sich bis hinab auf seine Schultern bogen. Die Augen des Untiers waren gelb und blutunterlaufen. Als es den jungen Mann erblickte, sprang es auf, warf sich gegen die Eisenstäbe und bleckte geifernd die wölfischen Zähne.
    Der junge Mann lächelte nur und wandte sich an Wahrsprecher. „Habt Ihr jetzt Angst?"
    „Nein", sagte Wahrsprecher.
    Sein Gastgeber lachte. „Dann sollt Ihr der Wächter dieses Ungeheuers sein ..."
    Aus „Der Wahrsprecher"
    I ch habe einen schrecklichen Fehler gemacht, dachte Helen später, als sie Jamie übers verschwitzte Haar strich. Untröstlich über den Tod von Lady Grey hatte er sich in den Schlaf geweint. Abigail lag still auf der anderen Seite des Bettes. Seit ihrem schrillen Schrei im Speisezimmer hatte sie keinen Laut mehr von sich gegeben. Sie hatte ihrem Bruder den Rücken zugewandt und sich unter der Decke zusammengerollt.
    Gequält schloss Helen die Augen. Was hatte sie ihren Lieblingen nur zugemutet? Sie hatte den Kindern ihr sicheres Zuhause in London und ihnen alles Vertraute genommen, um sie an diesen unwirtlichen Ort zu bringen. Nun war auch noch der arme, alte Hund gestorben, vermutlich das einzig liebenswerte Geschöpf in diesem trostlosen Gemäuer. Vielleicht hatte sie ja voreilig gehandelt. Vielleicht hätte sie Lister und das hoffnungslose Leben als seine abgelegte Geliebte noch eine Weile ertragen können. Und sei es nur der Kinder wegen.
    Aber nein, unmöglich! Seit Jahren schon war ihr bewusst gewesen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er sie so leid wäre, dass er ihr die Kinder wegnähme. Das allein war Grund genug, ihn zu verlassen. Ohne Abigail und Jamie konnte sie nicht leben.
    Sie stand auf und trat ans Fenster. Dunkel war es, der Ausblick alles andere als tröstlich. Der Efeu rankte sich so dicht vor den Scheiben, dass der Mond nur als blasse Lichtsprenkel zu erkennen war. Unter dem Sims stand ein Tisch, der ihr als Schreibtisch diente. Sie strich über die sauber gestapelten Blätter. Eigentlich hatte sie heute Abend noch ein wenig an der Reinschrift von Lady Vales Märchenbuch arbeiten wollen, doch sie war zu rastlos.
    Sie sah sich nach den Kindern um. Jamie schlief tief und erschöpft, und Abigail rührte sich noch immer nicht. Leise ging Helen ums Bett herum und beugte sich über ihre Tochter.
    Sachte, sodass sie nicht aufwachte, falls sie doch schlafen würde, berührte sie ihre Schulter und flüsterte: „Ich gehe noch ein wenig spazieren, mein Schatz. Aber ich bin bald zurück."
    Abigail lag ganz still, ihre Lider bewegten sich nicht, aber Helen wusste, dass sie nicht schlief. Seufzend küsste sie ihre Tochter auf die Wange, verließ leise das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
    Draußen im dunklen Korridor wusste sie nicht so recht wohin. Die Burg lud nicht gerade zu Spaziergängen ein. Aber Helen brauchte Bewegung, um endlich zur Ruhe zu kommen. Langsam ging sie den Flur hinunter, ihre Kerze warf flackernde Schatten an die Wände. Castle Greaves hatte fünf Geschosse. Das Zimmer, das sie sich mit den Kindern teilte, lag im dritten Stock, auf dem sich noch etliche weitere Gemächer befanden, die einst sehr ansehnlich gewesen sein mussten, nun jedoch fast unbewohnbar waren. Helen fuhr mit dem Finger über das Wandpaneel das Korridors. Irgendwann würde sie die Mädchen auch hier das Holz abstauben und polieren lassen, doch auf ihrer Liste dessen, was zu erledigen war, rangierte der dritte Stock weit unten.
    Wie ertappt blieb sie stehen. Sie machte Pläne! Pläne für die Zukunft von Castle Greaves, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie morgen noch hier sein würde. Gewiss hatte Lister längst Leute ausgeschickt, um sie und die Kinder aufzuspüren. Der Gedanke jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Am liebsten wäre sie auf der Stelle geflüchtet, ganz weit fort. Doch wohin? Von zahlreichen Landpartien wusste sie zudem, was mit dem Vogel geschah, der aus dem Gebüsch aufflog, sobald die Jäger nahten. Er wurde als

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