Ein unbezaehmbarer Verfuehrer
packte sie ihn und führte ihn zur Treppe. Wasser rann hinter ihnen auf den Boden und sammelte sich in kleinen Pfützen, die morgen aufgewischt werden müssten. Trotz seines spöttischen Gebarens war er bleich und zitterte am ganzen Leib.
Sie hatte wirklich Angst, dass er sich ein Fieber geholt hatte. Erschreckend, wie schnell das gehen konnte; wenn sie ihren Vater auf seinen Visiten begleitet hatte, hatte sie es oft genug gesehen. Starke, vor Kraft strotzende Männer — eben noch gesund und munter, ein paar Tage später tot.
„Passen Sie jetzt auf", sagte sie. Das hätte gerade noch gefehlt, dass sie zusammen die Treppe hinunterstürzten. Er war zu groß und zu schwer, als dass sie ihn halten könnte, wenn er fiel.
Er rang nach Luft, und das machte ihr erst recht Sorgen. Hatte er nicht einmal mehr die Kraft, mit ihr zu streiten? Ihre Gedanken eilten voraus, während sie ihm langsam die Treppe hinauf half. Heißes Wasser bräuchte sie; ein Tee könnte auch nicht schaden. Mrs McCleod hatte gestern Abend den Kessel auf dem Herd gelassen — hoffentlich auch heute. Erst musste sie ihn auf sein Zimmer bringen, dann rasch hinunter in die Küche laufen und das Feuer schüren.
Als sie endlich den Korridor vor seinem Zimmer erreichten, packte ihn der Schüttelfrost so heftig, dass ihm fast der Welpe aus dem Arm gerutscht wäre.
„Sie können jetzt gehen. Hier komme ich allein zurecht", murmelte er, an seiner Tür angelangt.
Sie hörte nicht auf ihn und stieß die Tür auf. „Wollen Sie wissen, was Sie sind? Ein Dummkopf, das sind Sie!"
„Da dürften nicht wenige Wissenschaftler von Rang und Namen anderer Ansicht sein."
„Die haben Sie wahrscheinlich auch noch nie halb tot und mit einem nassen Welpen im Arm gesehen."
„Stimmt." Er wankte zum Bett. Sein Zimmer war riesig. Zwischen zwei Fenstern stand ein wuchtiges Bett, die Decke war zerwühlt und hing halb auf dem Boden. An einer Wand war ein großer Kamin, aus dem gleichen graurosa schimmernden Stein erbaut wie das alte Burggemäuer. Ob dies wohl seit jeher die angestammten Gemächer des Burgherrn gewesen waren?
Helen verscheuchte diese Gedanken. „Nein, nicht ins Bett", wies sie ihn an. „Sie machen es nur nass."
Sie führte ihn zum Kamin. Ein schwerer Lehnstuhl stand vor dem heruntergebrannten Feuer. Am ganzen Leib schlotternd ließ Sir Alistair sich auf den Stuhl sinken, während sie sich daranmachte, Kohlen aufzuschichten und die schwache Glut anzufachen. Regenwasser rann ihr aus den Haaren übers Gesicht und tropfte auf den Boden. Wenn sie schon fröstelte, wie kalt musste dann erst ihm sein?
Sie stand wieder auf und sah Sir Alistair an. „Ziehen Sie Ihre nassen Kleider aus."
„Also ich muss schon sagen, Mrs Halifax ... nicht so forsch." Das Sprechen bereitete ihm hörbar Mühe, seine Worte klangen so verwaschen, als hätte er getrunken, was jedoch nicht der Fall zu sein schien. „Hätte ich gew...wusst, dass Sie es auf mich abgesehen haben ..."
„Pffff", schnaubte sie, nahm ihm den zitternden Welpen ab und setzte ihn ans Feuer, wo er wie ein nasses Häuflein Elend hocken blieb. Um den Hund würde sie sich später kümmern. Vorerst galt ihre Sorge seinem Herrn.
Sie stand auf und begann, Sir Alistair aus dem völlig durchnässten Rock zu schälen. Er beugte sich vor, um ihr behilflich zu sein, doch jede Bewegung schien ihn unendliche Kraft zu kosten. Sie hängte den Rock übers Kamingitter, wo er sofort zu dampfen begann. Dann kniete sie sich vor ihn hin und versuchte, durch den klammen Stoff seiner Weste die Knöpfe zu öffnen, was sehr mühselig war. Sie spürte seinen Blick, wie er sie unter schweren Lidern ansah, und schon schlug ihr törichtes Herz schneller. Endlich hatte sie alle Knöpfe aufbekommen, zog ihm die Weste aus und warf sie über den Rock. Als sie sich daranmachte, ihm das Hemd aufzuknöpfen, merkte sie, wie ihr Atem rascher ging. Sie versuchte sich zu konzentrieren, war jedoch wie gebannt von dem weiß durchscheinenden Stoff, der sich nass an seine breite Brust schmiegte. Dunkles Haar zeichnete sich darunter ab. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrem Kopf. Viel zu vertraulich war das alles, allzu heikel ihre Position, doch was sollte sie anderes tun?
Mit einer entschiedenen Bewegung zog sie ihm das Hemd aus, um es rasch hinter sich zu bringen und nicht auf dumme Gedanken zu kommen, doch ein Blick auf seinen entblößten Oberkörper machte alle guten Vorsätze zunichte. Er war noch viel schöner anzuschauen als in ihrer
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