Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
wenn Sie einen Augenblick Zeit haben.«
»Jawohl, Sir!«, bellte Mumby, vor dessen geistigem Auge bereits glänzende Münzentürme in die Höhe wuchsen.
Nachdem der Wirt die Stube verlassen hatte, machten sich die Herren miteinander bekannt. Eins kam zum anderen, und schon bald entdeckten die beiden eine Dartscheibe im Gastraum. Während der Abend voranschritt, entpuppte sich Lord Perwinkle nicht nur als meisterhafter Dartspieler, sondern auch als begeisterter Angler – eine Leidenschaft, die er mit Cam teilte. Und als sich schließlich herausstellte, dass Tuppy Perwinkle und Cam auf die gleiche Schule gegangen waren – wenn auch getrennt durch einen unbedeutenden Altersunterschied von fünf Jahren – , hatten die beiden einen Grad der Vertrautheit erreicht, wie er nur durch das Aufwachsen in der gleichen Kinderstube oder den übermäßigen Genuss von französischem Brandy erlangt werden kann.
Als Mumby höflich anfragte, ob Cam beim ersten Morgengrauen eine Kutsche zu mieten wünsche, lehnte dieser ab. Die Reise von Griechenland war beschwerlich genug gewesen, mit fünfundvierzig Tagen auf See und einem schweren Sturm im Golf von Biscaya. Er würde noch mehr als genug Zeit haben, sich die gesellschaftlichen Fesseln wieder anzulegen, und verspürte daher keinerlei Bedürfnis, so rasch wie möglich nach London zu eilen.
Tuppy stimmte ihm hierin vollkommen zu, denn auch er lebte seit Jahren ohne Frau. »Sie hat mich im Zorn verlassen, ist zu ihrer Mutter gefahren und nie zurückgekehrt. Da ich ihre Klagen satthatte, habe ich keinerlei Anstalten gemacht, sie zurückzuholen. Und dabei ist es geblieben.«
»Bestelle meinem Anwalt, er möge mich aufsuchen«, sagte Cam zu Phillipos. »Ich bezahle den Mann schließlich gut genug. Er soll sich zum Frühstück hier einfinden.«
Phillipos hegte eine nie erlöschende Bewunderung für die Fähigkeit seines Dienstherrn, ausgiebig alkoholischen Getränken zuzusprechen, ohne am nächsten Tag unter den Folgen leiden zu müssen. Dennoch bezweifelte er, dass der Herzog wirklich in aller Herrgottsfrühe seinen Anwalt zu sehen wünschte, da er sah, dass die dritte Flasche Brandy bereits entkorkt auf dem Tisch stand. Doch er verneigte sich geflissentlich und schickte eine dringliche Nachricht in die Metropole, in der Mr Rounton, Rechtsanwalt bei Rounton & Rounton, zu einer Frühstücksbesprechung mit seinem geschätzten Klienten Camden Serrard, Herzog von Girton, gebeten wurde.
Wie sich herausstellen sollte, war Phillipos´ Sorge unbegründet gewesen.
Edmund Rounton, der Rechtsbeistand des Herzogs von Girton, war kein Dummkopf. Dazu hatte er den verstorbenen Vater des Herzogs zu gut – viel zu gut – gekannt. Und für den Fall, dass der junge Herzog eine, wenn auch noch so entfernte Ähnlichkeit mit dem Charakter seines Ahnherrn besaß, traf Rounton die kluge Vorkehrung, nicht vor dem frühen Nachmittag einzutreffen, wenn der Herzog durch ein üppiges Mittagsmahl milde gestimmt sein würde.
Am nächsten Nachmittag gegen zwei Uhr entstieg der Kutsche ein strahlender Rounton im frisch gestärkten Rock, der sich dennoch einer gewissen Nervosität in der Magengrube nicht erwehren konnte. Besprechungen mit dem Vater des Herzogs waren stets eine Strapaze gewesen, um es milde auszudrücken. Der alte Herzog nahm immer wieder Projekte in Angriff, die Rountons Treuepflicht bisweilen auf eine harte Probe stellten. Wagte er jedoch zu widersprechen, musste er sich auf einen Wutanfall gefasst machen.
Auf den ersten Blick wirkte der junge Herzog ganz anders als sein alter Herr. »Guten Tag, Mr Rounton«, grüßte er, während er sich rasch vom Stuhl erhob. Er hatte die dunklen Augen des Vaters, doch ihr Ausdruck war fröhlicher. Dagegen hatte der alte Herzog mit seinem gemeinen Blick und der bleichen Gesichtsfarbe wie Beelzebub persönlich gewirkt.
Rounton verneigte sich. »Euer Gnaden, es ist wahrlich eine Freude, Sie bei so guter Gesundheit in der Heimat zu sehen.«
»Ja, vielen Dank«, erwiderte Girton und bedeutete seinem Anwalt mit einer Geste, Platz zu nehmen. »Ich werde nicht lange in England bleiben und brauche Ihre Hilfe.«
»Wenn ich irgendetwas tun kann, stehe ich Euer Gnaden natürlich bereitwilligst zu Diensten.«
»Dann hören Sie zunächst einmal auf, mich mit ›Euer Gnaden‹ anzureden«, befahl sein Klient. »Ich kann Förmlichkeit nicht ausstehen.«
»Selbstverständlich, Euer … sehr wohl.« Rounton musterte die lässige Kleidung des Herzogs. Er trug keinen
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