Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
Wahrheit bist du die Einzige, die uns Ratschläge erteilen könnte, Gina«, sagte Esme. »Carola und ich haben uns unserer Gatten entledigt und seitdem eine Menge Zeit damit verbracht, Skandale zu inszenieren. Du dagegen hast dich stets wie das Musterbeispiel einer verheirateten Herzogin verhalten.«
»Das klingt ja, als wäre ich eine tödlich langweilige Person!«, protestierte Gina.
»Nun, im Vergleich zu unserem schlechten Ruf … «
»Sprich bitte nur für dich«, wandte Carola ein. »Mein Ruf mag getrübt sein, aber schlecht ist er noch nicht.«
»Schon gut, der meine ist so verdorben, dass es für uns alle reicht«, sagte Esme leichthin.
Carola war bereits an der Tür. »Ich sollte mich besser umziehen, wenn ich heute Abend nicht wie eine alte Hexe aussehen will.« Sie schlüpfte hinaus.
Esme sprang von ihrem Stuhl auf. »Ich sollte mich auch beeilen. Jeannie will mein Haar à la grecque frisieren, und ich möchte lieber nicht zu spät kommen. Bernie könnte sonst daran verzweifeln, auf meine Ankunft zu warten.«
»Bernie Burdett? Habe ich dich nicht sagen hören, dass er ein schrecklicher Langweiler sei?«, fragte Gina.
Esme lächelte spitzbübisch. »Es sind nicht seine Geisteskräfte, an denen ich interessiert bin, Liebes.«
»Du erinnerst dich noch an Lady Troubridges Ankündigung, dass dein Mann heute zurückkommt?«
Esmes Antwort bestand in einem Achselzucken. »Natürlich wird Miles da sein. Schließlich ist Lady Randolph Childe eingeladen, nicht wahr?«
Gina biss sich auf die Lippe. »Das ist doch nur ein Gerücht. Vielleicht möchte er dich sehen.«
Esmes Augen waren von einem leuchtenden Blau. Viele junge Männer hatten sie mit Saphiren verglichen, und oft genug waren sie auch so glänzend und hart wie die kostbaren Steine. Doch als sie nun ihren Blick auf Gina richtete, lag ein weicher Ausdruck darin. »Du bist wahrlich ein lieber Mensch, Gina.« Sie beugte sich herab und küsste die Freundin auf die Wange. »Ich muss nun gehen und mich in eine Femme fatale verwandeln lassen. Es wäre doch grässlich unpassend, wenn Lady Childe besser aussehen würde als ich.«
»Das ist nicht möglich«, verkündete Gina aus tiefster Überzeugung. »Du willst nur Komplimente von mir hören.«
Esmes seidige Locken, ihr aufreizender Mund und die köstlichen Kurven hatten seit ihrer ersten Ballsaison den Vergleich mit Londons schönsten Kurtisanen herausgefordert. Und dem allgemeinen Urteil zufolge ließ die junge Esme jegliche Konkurrenz weit hinter sich.
»Warst du etwa nicht auf Komplimente aus, als du dich über deine morastfarbenen Augen beschwert hast?«
Gina tat die Frage der Freundin mit einer Handbewegung ab. »Das ist nicht dasselbe. Jeder Gentleman meines Bekanntenkreises würde auf Knien rutschen, um in dein Schlafzimmer zu gelangen. Wohingegen ich nur als prüde, dürre Herzogin gelte.«
Esme schnaubte verächtlich. »Du bist ja verrückt! Versuche nur einmal, Sebastian davon zu überzeugen, dass du unattraktiv bist! Er wird sich sogleich sehr eloquent über deine Alabasterstirn und Ähnliches auslassen … Doch ich muss mich beeilen.« Sie warf Gina eine Kusshand zu und verließ raschen Schrittes das Zimmer.
Gina stieß einen tiefen Seufzer aus. Das war das Zeichen für ihre Zofe, eine Haarbürste zur Hand zu nehmen und ihre Herrin zu frisieren, wobei sie wie ein Wasserfall auf sie einredete. »Es ist einfach eine Schande, sage ich. Da ist Lady Rawlings, eine der schönsten Frauen von ganz London, und ihr Mann gibt sich gar keine Mühe, seine Affäre mit Lady Childe zu verheimlichen. Eine Schande ist das.«
Gina nickte stumm.
»Haben Sie schon gehört, dass ihr Mann um ein Zimmer gebeten hat, das neben dem von Lady Childe liegt?«, fuhr Annie fort.
Gina schaute ihre Zofe im Spiegel erschrocken an. »Tatsächlich?«
»Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Eher im Gegenteil. Weil ich doch jetzt zur höheren Dienerschaft gehöre, nimmt Mrs Massey vor mir kein Blatt mehr vor den Mund. Die vielen Scherereien, die sie und Lady Troubridge mit dieser Hausgesellschaft haben, diese ganzen Zimmertauschs … Sie würden es nicht glauben!«
»Meine Güte«, sagte Gina matt. Zum Glück würden sie und Sebastian nicht diese Art Paar sein, wenn sie erst einmal verheiratet waren. Arme Esme!
2
Eine Begegnung zwischen einem Herzog, einem Ferkel und einem Anwalt
Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er seinen Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte, dachte Camden Serrard niedergeschlagen,
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