Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
viel zu oft in Skandale verwickelt gewesen war. Es war ihm völlig gleichgültig, dass Esme nur deshalb ihren Platz in der Gesellschaft behauptete, weil sie – wie sie Gina anvertraut hatte – kaum einem Mann tatsächlich Zugang zu ihrem Bett gestattete, mochte er sich auch noch so verzweifelt gebärden. Deshalb war sie auch nie in einer kompromittierenden Situation erwischt worden.
Cam würde es leichter haben. Gina wollte gar nicht daran denken, wie rasch jede Frau seiner großen, lässigen Gestalt und seinen lachenden Verführeraugen erliegen mochte. Wenn er einen anschaute, geriet die Welt in einen schwindelerregenden Strudel. Wart’s nur ab, bis er Esme in Marmor meißelt und sie andauernd ansieht. Nackt?
Mr Wapping tupfte sich Bart und Schnurrbart ab und hievte einen Stapel Bücher auf den Tisch. »Heute widmen wir uns einem ungemein fesselnden Stoff, Euer Gnaden«, kündigte er mit einem gewissen Maß an Selbstgefälligkeit an. »Ich glaube, meine Forschung wirft ein ganz neues Licht auf Machiavellis Stellung in der florentinischen Regierung. Sie wissen doch noch, worüber wir letzte Woche gesprochen haben?« Manchmal schien Mr Wapping zu vergessen, dass sie kein Schulmädchen mehr war.
»Ja, natürlich«, antwortete Gina bereitwillig. »Die Medici haben die Macht in Venedig übernommen, und Machiavelli wurde verbannt.«
»Nicht Venedig. Florenz«, sagte Mr Wapping leicht missbilligend.
Er schlug ein paar Bücher auf. »Ich bin überzeugt, Euer Gnaden, dass Sie die Diskrepanz zwischen Sandlefoots und Simons Hypothesen hinsichtlich Machiavellis Versuchen, einen Platz im Rat der Medici zu erringen, ebenso interessant finden werden wie ich.«
Gina nickte. Sie hatte Schwierigkeiten zu atmen. Das liegt bestimmt daran, dass ich so zornig bin, redete sie sich ein. Sie wollte auf keinen Fall, dass ihre beste Freundin in die Falle des erstbesten nutzlosen und verruchten Herzogs tappte, der ihren Weg kreuzte.
Das war der einzige Grund.
»Euer Gnaden? Euer Gnaden? Fühlen Sie sich nicht wohl?«
»Aber ja doch!«, fauchte Gina.
Mr Wapping blinzelte irritiert. »Ich habe nur gefragt, weil Sie mir ungewöhnlich zerstreut vorkommen.« Dann besann er sich wieder, wem er hier Unterricht erteilte. »Sollen wir also zum Thema zurückkehren? Machiavelli war ein Erzstratege, besonders im Hinblick auf die Kunst der Kriegsführung. Er bevorzugte einen indirekten Ansatz, wusste aber natürlich auch, dass manche Kriegssituationen einen direkten Angriff erfordern.«
Gina lächelte schwach und gab sich den düsteren Gedanken über ihren Ehemann hin.
»Könnten Sie Sandlefoots Hypothese über Machiavelli wiederholen?«
»Im Augenblick nicht«, gestand sie.
Also übernahm Wapping selbst diese Aufgabe, die ohnehin seiner bevorzugten Lehrmethode entsprach.
Auch Gina brauchte eine Strategie. Doch ihr wollte nichts anderes einfallen als der direkte Angriff. Ich stürme in sein Zimmer und schlage ihm mit dem Marmorstein den Schädel ein, dachte sie. Wenn das nicht direkt ist! Bei diesem Gedanken fühlte sie sich gleich besser. Sie verfolgte ihre Idee während der nächsten halben Stunde weiter und verfeinerte ihre Strategie schließlich zu dem Plan, Cam mit der Aphrodite den Schädel einzuschlagen. Diese Spielart erschien ihr so sanft und indirekt, dass sie sich sogleich getröstet fühlte.
»Mr Wapping«, unterbrach Gina seinen gelehrten Verriss der sandlefootschen Thesen, »was können Sie mir über Aphrodite sagen?«
Der Lehrer verstummte mit einem seltsam erstickt klingenden Laut.
»Es tut mir leid«, rief sie aus. »Ich wollte Sie nicht unterbrechen, Mr Wapping. Ich mache mir nur schrecklich viele Gedanken über ein Problem … «
»Das macht doch nichts«, versicherte der Tutor. »Aphrodite.« Er überlegte, strich sich über den Schnurrbart und wippte auf den Fersen. »Was möchten Sie denn wissen?«
»Ist sie verheiratet?«
»Ganz recht. Aphrodite war mit dem Gott Hephaistos verheiratet.«
»Und war sie ihm untreu?«
»Homer schreibt, dass Aphrodite mit Ares, dem Gott des Krieges, im ehelichen Bett geschlafen habe. Sie hatte aber auch noch andere Liebhaber, darunter zwei Sterbliche, Adonis und Anchises. Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie Genaueres über Aphrodite hören möchten?«
Gina schüttelte den Kopf. »Aphrodite ist also keine sehr achtbare Göttin?«
Wapping lächelte. Sein Lächeln war überaus rätselhaft und daher irritierend, Gina war dies schon oft aufgefallen. »Das ist sie in der Tat
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