Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
sein«, erwiderte Cam, »haben Lady Rawlings und ich soeben beschlossen, dass ich nach ihrem Vorbild eine bewundernswerte Diana erschaffen werde.«
Bonningtons Nüstern blähten sich empört auf.
»Ich freue mich schon sehr darauf«, gurrte Esme und beugte sich so weit vor, dass ihr Busen Cams Arm streifte. »Der Herzog hat Diana im Bade vorgeschlagen … doch das wäre ein wenig zu skandalös, meinen Sie nicht auch, Lord Bonnington?«
Wenn Blicke töten könnten, dachte Cam, dann würden er und Esme nun leblos am Boden liegen.
»Aber überhaupt nicht«, entgegnete der Marquis. »Es klingt erstaunlich angemessen. Ich habe eines Ihrer Werke in Sladdingtons Eingangshalle gesehen, Euer Gnaden.« Er richtete seinen vernichtenden Blick auf Esme. »Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen, in Marmor dargestellt zu werden. Sladdington benutzt seine Skulptur als Hutständer. Vielleicht könnte Lady Rawlings auf diese Weise ebenfalls zu etwas … Nützlichem beitragen.«
Cam spürte, wie Esme neben ihm erstarrte. Er versetzte ihr einen ermutigenden Stups. »Touché!«, flüsterte er. »Nun ist die Reihe an Ihnen.«
Doch bevor Esme etwas erwidern konnte, war ein schrilles Quietschen zu hören, mit dem ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Cam sah auf und in die eisige Miene seiner Frau.
»Bitte entschuldigt mich«, sagte sie. »Ich muss wohl etwas Falsches gegessen haben. Mir ist urplötzlich übel.« Damit drehte sie sich um und ging davon. Bonnington stolzierte hinterher.
Esme schnaubte verächtlich. »Touché! Sie sind dran.«
Cam musterte seine verbliebene Tischgefährtin mit hochgezogener Augenbraue. »Sie spielen mit dem Feuer, wissen Sie das?«
Esme nahm ihre Gabel auf und stocherte in ihrem Pilzfrikassee. »In Wahrheit tue ich das nicht«, erwiderte sie. »Ich bin … « Doch dann besann sie sich und fuhr ihn an: »Dies ist ein höchst unangebrachtes Gespräch.«
»Wohl wahr. Sie haben demnach einen Ehemann?«, erkundigte er sich neugierig.
»Oh ja«, bestätigte Esme mit kaum wahrnehmbarer Bitterkeit.
»Ist er hier?«
»Selbstverständlich.« Sie nickte zu einem Tisch links von ihnen.
»Wer ist es?«
»Miles hat braunes Haar«, sagte sie niedergeschlagen.
»Wollten Sie vielleicht sagen, dass er braunes Haar hatte ?«
»Nun, ein wenig ist ja noch da.« Sie schaute zu dem Tisch hinüber. »Er ist der Mann, der an Lady Childes Schulter schnuppert.«
»Schnuppern ist eine nette Bezeichnung dafür«, sagte Cam nachdenklich. »In diesem Zusammenhang bekommt es einen schweineartigen Anklang. Möchten Sie, dass ich seine Aufmerksamkeit errege und an Ihrer Schulter schnuppere?«
»Nein, besten Dank«, sagte Esme und aß eine Gabel Frikassee.
Cam fand, sie hätte nicht so völlig uninteressiert reagieren brauchen. Aber er nahm an, dass das Publikum für Esme Rawlings Skandalauftritte den Salon bereits verlassen hatte.
»Würden Sie mir helfen, meinen Text zu lernen?«, fragte er und bemühte sich, bedauernswert zu klingen. Diese Frau durfte er in keinem Fall der Melancholie überlassen.
Esme seufzte und stimmte seinem Vorschlag zu.
Und so fand Gina die beiden eine gute halbe Stunde später, als sie nach Esme suchte: Ihr Ehemann und ihre beste Freundin saßen aneinandergekuschelt vor dem Kamin der Bibliothek und beugten die Köpfe über das Shakespeare-Stück. Esmes schwarze Locken sahen neben Cams widerspenstigem Haar wie glänzende Seide aus.
Gerade kicherte sie ausgelassen.
»Hören Sie auf zu lachen, Sie albernes Ding«, mahnte Cam. »Ich lese Ihnen die Zeile noch einmal vor: Wie, mein liebes Fräulein Verachtung! Lebt Ihr auch noch? «
Gina machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Bibliothek, ohne dass die beiden sie gesehen hatten. Mr Wapping wartete sicher schon, und ihre Kopfschmerzen hatten überhaupt nichts mit der Szene zu tun, deren Zeuge sie gerade geworden war.
Esme verdient ein bisschen Glück, redete sie sich ein.
Cam jedoch nicht!, lautete die prompte, erboste Ergänzung.
Als sie den zweiten Stock erreichte und sich darauf einstellte, etwas über die verwickelten politischen Intrigen in den italienischen Stadtstaaten des sechzehnten Jahrhunderts zu lernen, musste sie sich eingestehen, noch nie in ihrem Leben derart schlimme Kopfschmerzen verspürt zu haben.
Überdies war ihr vollkommen klar, wer dafür verantwortlich war.
Ihr verkommener Ehemann hatte sich zum Ziel gesetzt, ihre beste Freundin zu verführen. Er scherte sich keinen Deut darum, dass Esme verheiratet und selbst schon
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