Ein unerhörtes Angebot
in sein Arbeitszimmer führte.
„Was zum Teufel hat das zu bedeuten, Hunter? Wir wollten gerade zu Abend essen. Ist Ihnen jede Vorstellung von gutem Benehmen abhandengekommen?“
„Dasselbe wollte ich Sie gerade fragen.“
„Mich?“ Georges Lachen hatte einen unbehaglichen Beiklang. Er ging zu seinem Sekretär und schenkte zwei Gläser Brandy ein. „Nun, um Ihnen zu beweisen, dass ich ein Gentleman bin, der weiß, was sich gehört … möchten Sie etwas trinken?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, drückte er Jason ein Glas in die Hand.
„Ein Gentleman, der weiß, was sich gehört“, ahmte Jason ihn sarkastisch nach. „Warum lassen Sie dann zu, dass Ihre Schwestern unter Bedingungen leben, die man eher in Whitechapel vermuten würde als in Mayfair?“
George verschluckte sich an seinem Brandy und hustete heftig. „Erklären Sie mir, woher Sie wissen … Was meinen Sie?“, verbesserte er sich hastig.
„Ich bin heute Nachmittag in Westlea House gewesen.“
George musterte ihn argwöhnisch. „Darüber hätten Sie sich vorher mit mir verständigen müssen. Was gibt Ihnen das Recht, unaufgefordert dort aufzutauchen?“
„Sie haben mir einen Vertrag zur Unterschrift geschickt. Ich bin berechtigt, zu begutachten, was ich zu kaufen beabsichtige.“
„Vielleicht. Aber Sie sind nicht befugt, meine Familie zu begutachten. Wie meine Schwestern leben, ist meine Sache und geht Sie nichts an.“
„Ach, meinen Sie?“, erwiderte Jason gelassen. „Mir erklärte man kürzlich, dass die Zwangslage Ihrer Schwestern nicht nur meine Sache sei, sondern auch meine Schuld. Was wollen Sie mir wirklich verkaufen, George? Ihr Haus oder Ihre Schwester?“
5. KAPITEL
„Was für eine sonderbare Bemerkung. Soll ich sie als Scherz auffassen?“, fragte George nachdenklich.
„Wenn ich sie als Scherz gemeint hätte, wäre es ein äußerst schlechter.“
„Dann nehme ich sie als Scherz“, erwiderte George sarkastisch. „Denn wenn ich davon ausginge, dass Ihre Worte ernst gemeint waren, müsste ich mich wie ein guter Bruder verhalten und Helens Ehre verteidigen.“
„Woher wussten Sie, dass ich mich auf Ihre ältere Schwester bezog?“ Jason lachte verächtlich, als er sah, dass Georges Gesicht sich rötete. „Sie brauchen mir nicht zu antworten. Es ist offensichtlich, wie Sie darauf kamen. Sie haben Mrs. Marlowe schließlich zu mir geschickt.“
George nahm einen Schluck von seinem Brandy. „Noch eine sonderbare Bemerkung, Hunter, und wieder gar nicht lustig. Wie es scheint, ist Ihnen auch jedes Gefühl für den guten Geschmack abhandengekommen.“
„Und wie es scheint, haben Sie jedes Gefühl dafür verloren, wie man sich als guter Bruder verhält.“
George presste verärgert die Lippen zusammen. „Sie hatten also eine Unterredung mit Helen“, fuhr er Jason an. „Na und? Was soll mir das schon ausmachen?“
„Warum haben Sie sie zu mir geschickt?“
„Ich habe nichts dergleichen getan“, verteidigte George sich wütend. „Wenn Sie Helen besser kennen würden, wäre Ihnen klar, dass sie sich von niemandem beeinflussen lässt. Den Tag möchte ich erleben, an dem sie meinen Anweisungen folgt.“ Er lachte grimmig. „Wenn sie täte, was ich ihr ständig rate, wäre sie längst wieder verheiratet.“
„Und somit keine Last mehr für Sie.“
„Richtig“, bestätigte George ohne Schamgefühl oder schlechtes Gewissen.
„Soviel ich weiß, wurde Ihnen nach dem Tod Colonel Kingstons die Sorge für Ihre Schwestern anvertraut. Und doch scheinen die beiden völlig auf sich gestellt und nicht besonders erfolgreich darin, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, wie ich hinzufügen möchte.“
„Ich bespreche die Angelegenheiten meiner Familie nicht mit Ihnen!“, brüllte George plötzlich und setzte sein Glas so heftig auf dem Tisch ab, dass der Brandy überschwappte. „Wie meine Schwestern zurechtkommen, ist nicht Ihre Sache.“
„Aber dazu würden Sie es gern machen. Sie verschwenden Ihre Zeit, Kingston. Wenn Ihr Gewissen Sie nicht plagt, sehe ich nicht ein, warum ich mir den Kopf zerbrechen soll.“ Kaum hatte er die gefühllosen Worte ausgesprochen, ballte Jason unwillkürlich die Faust. Auf einmal war ihm, als striche Helens Haar wieder über seine Haut, und er glaubte beinahe, ihren Duft nach Lavendel zu riechen. Eine Verwünschung unterdrückend, hob er das Glas an die Lippen, das George ihm gegeben hatte. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit erinnerte ihn an Helens Augen. Hastig stellte er das
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