Ein unerhörtes Angebot
anmerken zu lassen. Ich bin sicher, er weiß, dass George ihn kränkt, wo er kann, weil er glaubt, Philip sei nicht gut genug für mich.“ Charlotte strich sich mit der Hand über die fiebrig geröteten Wangen. „Philip bot an, mich nach Hause zu bringen, aber George sah ihn an, als wäre er Schmutz unter seinen Stiefeln, und schrie, er selbst würde dafür sorgen, dass ich sicher nach Hause komme.“ Charlotte holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Tränen ab. „Philip sah aus … er muss sich so gedemütigt gefühlt haben, als George mich fast gewaltsam vom Gig herunterzog. Und in dem Moment hat dieser fürchterliche Freund von ihm auch noch gelacht.“ Sie schluchzte auf und putzte sich die Nase. „Ich versuchte, Philip zu sagen, dass ich genauso entsetzt sei über das Verhalten meines Bruders wie er und dass ich mich freuen würde, ihn später in der Woche wiederzusehen. Aber er wich meinem Blick aus und antwortete mir nur, dass es ihm wahrscheinlich nicht möglich sein würde zu kommen.“ Wieder flossen die Tränen. „Er möchte mich nicht mehr sehen. Es ist aus zwischen uns. Ich weiß es.“
Helen erhob sich abrupt. „George hat dich also nach Hause gebracht? Wo ist er?“, fragte sie und eilte ans Fenster.
„Er ist fort. Während der ganzen Fahrt sprach er kein einziges Wort mit mir, obwohl ich ihm in aller Deutlichkeit sagte, wie anmaßend ich ihn fand. Erst als wir fast angekommen waren, verkündete er, dass er niemals sein Einverständnis zu einer Heirat mit einem Mann wie Philip geben würde und dass ich mich ruhig an den Gedanken gewöhnen sollte.“ Charlotte hob trotzig das Kinn. „Daraufhin erklärte ich ihm, dass er der abscheulichste Mann auf der ganzen Welt ist, dass ich heiraten werde, wen ich will, und dass er sich ruhig an diesen Gedanken gewöhnen kann. Danach half er mir nicht einmal mehr beim Aussteigen. Ich fürchtete schon, er würde mich einfach hinunterwerfen. Und noch bevor Betty mir geöffnet hatte, war er losgefahren.“
Helen litt von ganzem Herzen mit ihrer Schwester. Es war kaum zu begreifen, warum irgendein anständiger Mensch ausgerechnet einen so gutmütigen Mann wie Philip Goode in aller Öffentlichkeit lächerlich machen wollte. Aber leider hatte George sich schon sehr lange nicht mehr besonders anständig benommen, wie Helen bedrückt zugeben musste. Kleinliche Missgunst und eine gierige Frau zerstörten langsam den freundlichen Bruder, der ihr einst das Reiten beigebracht hatte und mit ihr auf dem Land in Surrey angeln gegangen war.
Sie wandte sich vom Fenster ab und setzte sich neben Charlotte. „Nach allem, was du sagst, ist es eher George, der sich lächerlich gemacht hat, nicht Philip. Es ist George, der unser Mitleid braucht. Wenn er eine glücklichere Ehe führen würde, wäre er vielleicht nicht so verbittert.“ Sie umarmte ihre Schwester und drückte einen Kuss auf ihre glänzenden rotbraunen Locken. „Wir sind die Glücklichen, Charlotte. Du und ich haben das Glück gekannt, von jemandem geliebt zu werden, dessen Gefühle wir erwidern. Armer George. Ich glaube manchmal, er weiß, was ihm entgeht, und ist einfach fürchterlich eifersüchtig.“
Charlotte legte den Kopf auf Helens Schulter. „Ich wünschte, Papa wäre noch am Leben. Er hätte Philip gerngehabt und uns seinen Segen gegeben. So wie er es bei dir und Harry tat.“
„Ja, das glaube ich auch. Philip ist Harry sehr ähnlich, weißt du. Deswegen fand ich ihn wohl von Anfang an so liebenswert.“ Sie sah ihre Schwester mit einem wehmütigen Lächeln an und wurde schnell wieder ernst. „Nur dass Papa leider nicht mehr bei uns ist. Und der liebe Harry ebenfalls nicht. Also müssen wir selbst auf uns aufpassen und dürfen uns von unserem Bruder nicht einschüchtern lassen.“
„Ich liebe Philip so sehr.“
„Ja, ich weiß, Charlotte. Und deswegen wirst du ihn auch heiraten … auf irgendeine Art“, sagte Helen leise. „Ich nehme an, dass Philip dich gern wiedersehen will, aber er fürchtet eine neue Szene mit George. Und wer könnte ihm das verdenken?“ Sie lächelte aufmunternd. „Das Beste wird sein, wenn ich den Goodes erst einmal allein einen Besuch abstatte. Ich werde sie wissen lassen, dass sie in Westlea House herzlich willkommen sind. Wenn George etwas dagegen haben sollte, wird er sich mit mir anlegen müssen.“
„Verzeihung, Mrs. Marlowe, er ist schon wieder da.“
Helen sah auf. Zum zweiten Mal an diesem Tag stand Betty mit verstörter Miene in der Tür. Helen
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