Ein unerhörtes Angebot
Witwenstand, der ihr ungleich größere Freiheit zugestand als einer unverheirateten Dame, geschützt.
Also lag es bei ihm, welche Rolle er ihr anzubieten gedachte. Zweifellos hatte sie es geschafft, ihn in ihren Bann zu ziehen, und er mochte sie gern, doch Ähnliches war ihm in der Vergangenheit auch schon mit anderen Frauen widerfahren, an deren Namen er sich jetzt kaum noch erinnerte.
Jason erhob sich, ohne sich recht bewusst zu sein, dass er zu einer Entscheidung gekommen war, und streckte seine müden Glieder. Ein klägliches Lächeln umspielte seine Lippen, als er erkannte, dass niemand außer der Dame selbst Einwände haben würde, wenn er ihr eine carte blan che anbot.
8. KAPITEL
„Was in aller Welt ist geschehen?“
Helen hatte versucht, sich brieflich bei Jason Hunter zu entschuldigen, solange Charlotte noch nicht wieder im Haus war. Die zerkratzte Lederbespannung des Schreibtischs war mit zerknüllten Papieren übersät, die Zeugnis davon ablegten, wie schwer ihr die selbst gestellte Aufgabe fiel.
Doch nun stand Charlotte in der Tür und sah furchtbar niedergeschlagen aus. Helen schob Papier und Federkiel von sich und musterte ihre Schwester, die mit zitternden Fingern die Schleife ihrer Schute aufzupfte. Sobald sie sie geöffnet hatte, warf sie den Hut mit verzweifelter Heftigkeit auf das Kanapee, auf dem sie anschließend selber niedersank und sich die Hände vors Gesicht schlug.
„Was ist los, Liebes?“ Helen lief zu ihrer Schwester und kniete sich besorgt vor sie hin. Behutsam zog sie Charlottes Hände von ihrem Gesicht fort und drückte sie beruhigend. „Was ist passiert? Ist Philip nicht bei dir?“ Helen warf einen flüchtigen Blick zur Tür. Meist kam der junge Mann noch für eine kleine Weile mit herein, wenn er Charlotte von einer Spazierfahrt zurückbrachte. „Habt ihr euch gestritten?“
Charlottes braune Augen füllten sich mit Tränen. „Philip wird nie wieder hierher kommen, und er wird mich bestimmt nicht heiraten. Warum sollte er auch, wenn ich einen so hassenswerten Bruder habe?“, brachte sie mit zitternder Stimme hervor und barg das Gesicht erneut in ihren Händen.
Helen seufzte leise. Die Begegnung mit Jason Hunter und Mr. Drovers Überfall mussten sie so sehr abgelenkt haben, dass ihr das unverzeihliche Benehmen ihres Bruders völlig entfallen war. Zweifellos hatte er Philip so schwer beleidigt, dass Charlotte die Betroffenheit des jungen Mannes nicht entgangen war.
„Ist Philip verärgert über Georges Unhöflichkeit? Er hat natürlich jedes Recht dazu …“
„Was hat George zu Philip gesagt?“, verlangte Charlotte zu wissen und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Klär mich bitte auf, Helen! Ich spürte, dass etwas Unangenehmes geschehen sein musste, während ich oben war, um meinen Umhang zu holen. Philip ist zu liebenswürdig, um sich zu beschweren, aber ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung war, noch bevor George im Park zu uns stieß und so gemein wurde.“
„Ihr seid George begegnet?“
Charlotte nickte. „Ich bin sicher, dass er den Hyde Park nur deshalb aufsuchte, weil er ahnte, dass wir dort sein würden. Warum hasst er Philip so? Er hat sich doch niemals die Mühe gemacht, ihn näher kennenzulernen.“
Helen drückte Charlottes Hände. „Er hasst ihn sicher nicht“, sagte sie beschwichtigend. „Unser Bruder ist einfach nur …“ Sie suchte mühsam nach einem Wort, das Georges Flegelhaftigkeit abschwächen würde. „Ich weiß, er hat manchmal eine sehr unerfreuliche Art“, fuhr sie nicht sehr überzeugend fort.
„Unerfreuliche Art?“, schrie Charlotte außer sich und stampfte wütend mit dem Fuß auf. „Er ist ein Rüpel! Er hat Philip vor seiner Schwester und mir gedemütigt! Der Park war sehr gut besucht, und viele Leute wurden Zeugen dessen, was geschah. Irgend so ein fürchterlicher Kerl fing sogar an, uns auszulachen.“ Charlottes Stimme zitterte. „Die arme Anne war so aufgelöst, dass sie anfing zu weinen, obwohl sie vorgab, es sei ihr nur etwas ins Auge gekommen.“
Helen war fassungslos. Normalerweise hielt George sich wenigstens in der Öffentlichkeit zurück. „Was genau hat er getan?“, wollte sie wissen.
„Wir hielten neben dem See, um die Schwäne zu beobachten, als George plötzlich mit einem seiner Freunde auf uns zukam und mir befahl, ich solle sofort in seine Kutsche steigen, damit er mich nach Hause fahren kann. Philip war völlig verblüfft über seine Unhöflichkeit, aber er versuchte, sich nichts
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