Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
von Seths Verlobung mit Lily hatte sie kurz nach Fredriks Geburt in Göteborg erreicht. Beatrice hatte lange überlegt, ob sie sich nicht doch noch weigern sollte, Rosenschöld zu heiraten. Sie konnten sie schlagen, bedrohen und auf die Straße setzen, aber sie konnten sie nicht zwingen, den Mund aufzumachen und Ja zu sagen. Doch dann waren die Zweifel gekommen. Eine Nacht nach der anderen hatte sie wach gelegen und sich den Kopf zerbrochen. Machte sie einfach zu viel Aufhebens von der ganzen Sache? Warum sollte sie Rosenschöld eigentlich nicht heiraten? Alle schienen der Ansicht zu sein, dass dies eine großartige Gelegenheit für eine Frau wie sie war. Hunderte von Frauen heirateten aus anderen Beweggründen als aus Liebe, so sicherte sich eine Frau eben ihre Versorgung. Vielleicht war es einfach an der Zeit, erwachsen zu werden, sich die kindischen Träume aus dem Kopf zu schlagen und die Realität, wie sie für eine Frau wie Beatrice Löwenström aussah, anzunehmen? Vielleicht stimmte es ja, dass sie dramatisch und überempfindlich war. Vielleicht war das hier ihre Chance, eine Familie zu gründen, Kinder und ein eigenes Heim zu haben. Mit jeder Niederlage und jeder Drohung nahm ihr Widerstand ab, und zum Schluss sah sie keinen einleuchtenden Grund mehr, sich zu widersetzen. Manchmal lag der einzige Ausweg eben darin, sich in die Dinge zu schicken. Zumindest würde sie so ihren Onkel loswerden.
Der Graf griff bestimmt nach ihrem Arm. Ganz kurz streifte sie der Gedanke, dass er sie an der Flucht hindern wollte. Als ob sie noch irgendwohin hätte fliehen können.
«Du da, zeig ihr ihr Zimmer», befahl der Graf einem kleinen Dienstmädchen, das in den eiskalten, beißenden Wind herausgelaufen kam.
«Ja, Herr. Bitte sehr, gnä’ Frau», sagte das Mädchen freundlich.
Beatrice folgte ihm ins Obergeschoss. Ihre privaten Räume bestanden aus einem einfachen Salon und einem kleinen Arbeitszimmer. Die Zimmer waren nicht übertrieben luxuriös möbliert, aber sie waren sauber und adrett und mehr, als sie je zuvor gehabt hatte. Das Dienstmädchen öffnete noch eine Tür und erklärte: «Das Schlafzimmer, gnä’ Frau. Die Räumlichkeiten des Herrn sind auf der anderen Seite, das da ist seine Tür.» Sie deutete darauf.
Beatrice blieb auf der Schwelle stehen. Das dominierende Möbelstück im Schlafzimmer war ein großes grünes Eisenbett mit Messingdetails. Es kostete sie einige Mühe, den Anflug von Panik zu unterdrücken, der in ihr aufkam. «Wie heißt du?», fragte sie das Mädchen, um sich irgendwie abzulenken.
«Kerstin, gnä’ Frau. Soll ich Ihnen das Haus zeigen?»
Beatrice schüttelte den Kopf. «Ich glaube, ich lege mich ein Weilchen hin», lächelte sie.
Das Dienstmädchen sah sie ausdruckslos an und zog langsam die Tür hinter sich zu.
«Wir sollen der gnädigen Frau mit dem Kleid helfen», erklärte Kerstin, als sie und ein weiteres Mädchen am nächsten Morgen in Beatrices Zimmer kamen. Wenn es jemals einen Moment gegeben hatte, in dem sie sich diesem Wahnsinn noch hätte verweigern können, dann war er jetzt endgültig verstrichen, dachte Beatrice. Die Mädchen brachten ihr das Brautkleid. Es war weiß und langärmlig, anspruchslos und keusch. Sie halfen ihr mit dem eiskalten Stoff. Dann befestigten sie die Rosenholmer Brautkrone in ihrem Haar und steckten einen langen weißen Schleier daran fest. Die Symbole ihrer Unschuld.
Die Zeremonie sollte in der Dorfkirche abgehalten werden. In der Nacht hatte es geschneit, und Beatrice fror. Eines der Dienstmädchen half ihr, die kurze Schleppe zu ordnen, eine andere nahm ihr den Mantel ab. Auf den Kirchenbänken saßen nicht allzu viele Gäste. Ein paar Verwandte des Grafen waren anwesend. Der Landeshauptmann und Karin. Tante Harriet und Onkel Wilhelm, Edvard dagegen nicht. Flüchtig überlegte sie, wo er wohl sein mochte.
Da kam der Graf auf sie zu. Er war ganz in Grau gekleidet, und seine blassen Augen glitten über ihren weißbekleideten Körper, bevor er ihr mit seinem kalten Lächeln den Arm bot. Obwohl sie zu zittern begann, zwang sich Beatrice, seinen Arm zu nehmen und mit ihm auf den wartenden Pfarrer zuzugehen. Auf dem Weg zum Altar schritten sie an den bekannten Gesichtern vorbei, doch Beatrice mied ihre Blicke, so gut sie konnte. Sofias große braune Augen versuchten einen Blick von ihr aufzufangen, doch Beatrice wich auch ihr aus.
Nach der Trauung stand das Brautpaar auf der Kirchentreppe und nahm die Glückwünsche entgegen. Es war
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