Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
untersuchte ihren Bauch, der geschwollen und druckempfindlich war.
«Die Wunde hat sich entzündet, und die Stiche geben nach», stellte er mit bekümmertem Stirnrunzeln fest. «Die Stiche müssen noch einmal nachgenäht werden, aber ich weiß nicht, ob sie den Eingriff überleben wird. Sie ist bereits sehr mitgenommen», meinte er.
Mit einer Assistentin von der Hebammenanstalt reinigte er die Wunde, so gut es ging, und nähte sie erneut. Während Sofia stöhnte, strichen sie ihr eine stinkende graue Salbe auf den feuerroten Streifen.
«Sie will so gern selbst stillen, kann sie das weiter tun?», erkundigte sich Beatrice, der die Tränen schon die Kehle zuschnürten.
«Medizinisch gesehen spricht nichts dagegen, aber Sie sollten sich um eine Amme bemühen, für den Fall, dass …»
«Aber sie wird es doch schaffen, oder?»
Der Arzt seufzte. «Helfen Sie ihr, das Kind anzulegen», sagte er resigniert.
Beatrice legte den Jungen bequem an Sofias Brust. Der Kleine war hungrig und hatte schnell begriffen, wie er saugen musste. Sofia murmelte ein paar gequälte Worte, doch sie wachte nicht auf. Während Beatrice zusah, wie der ahnungslose Sohn genüsslich saugte, strich sie ihrer Cousine über die Stirn. Da der Arzt und seine Assistentin das Zimmer verlassen hatten, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie fragte sich, ob sie jemals in ihrem Leben so viel geweint hatte wie in den letzten Tagen.
Am nächsten Tag war Sofias Fieber weiter gestiegen. Ihr Bauch war immer noch grotesk geschwollen, obwohl die Stiche diesmal gehalten hatten. Das war jedoch nur ein kleiner Trost. Sofia delirierte und erkannte niemanden. Beatrice trug einen hungrigen Sohn ins Zimmer.
«Das Kind muss eine Amme bekommen», verlangte Doktor Eberhardt entschieden.
«Nein», widersprach Beatrice und musste sich bemühen, nicht hysterisch zu klingen. Sofia würde leben, und sie wollte ihr Kind stillen, begriff er das denn nicht? Sie wandte sich flehend an Johan, der auf der Bettkante saß und Sofias Hand hielt. «Ich weiß, dass sie stillen will, nehmt ihr das Kind nicht weg. Ich werde ihn auch halten, ich werde ihr helfen.» Sie schluchzte.
«Fräulein Löwenström, so seien Sie doch vernünftig …»
«Lassen Sie sie.» Johans Stimme war müde, aber bestimmt.
Beatrice eilte zum Bett. Sie drehten Sofia auf die Seite und legten den kleinen Jungen neben sie.
Obwohl es unmöglich schien, stieg Sofias Fieber in der Nacht noch weiter. Johan kam und holte Beatrice, die in voller Bekleidung auf ihrem Bett eingeschlafen war. Ein Fenster stand offen und schlug in der Zugluft hin und her.
«Der Arzt hat gesagt, es ist so weit», sagte Johan leise.
Schluchzend folgte sie ihm. Sie befühlte Sofias Stirn, die schrecklich heiß war. Ihre Lippen waren aufgesprungen, sie war stark abgemagert, und ihr Gesicht war bleich und eingefallen. Nur ihr Bauch war immer noch geschwollen und groß. Man könnte meinen, dass sie immer noch schwanger ist, dachte Beatrice bekümmert. Johan hatte seinen Sohn neben Sofia ins Bett gelegt, und der Kleine suchte nach der Brust. Vorsichtig half ihm Beatrice. Obwohl Sofias Brustwarzen ganz wund waren, stöhnte sie nicht einmal, als das Kind hungrig zu saugen begann.
«Man kann nichts mehr tun», erklärte Johan. Sein Blick war leer, seine Stimme wie tot.
Beatrice betrachtete ihre Cousine, die ganz still dalag. «Sofia, meine Liebe, du musst kämpfen», flüsterte sie. «Dir muss doch klar sein, dass du uns nicht einfach so verlassen kannst? Deine Familie braucht dich. Ich brauche dich. Bitte.» Sie schluchzte, doch Sofia rührte sich nicht.
Doktor Eberhardt trat ein und ging zu Sofia. «Ihr Puls wird immer schwächer. Es tut mir leid», sagte er.
Johan vergrub das Gesicht in den Händen.
Beatrice ließ sich neben dem Bett auf die Knie sinken. «Sofia, bitte bleib bei uns. Gib nicht auf. Du darfst uns nicht verlassen.» Doktor Eberhardt legte ihr eine Hand auf die Schulter, doch er konnte ihr keinen Trost geben.
Mit einem Ruck erwachte Beatrice. Sie hockte immer noch neben dem Bett. Wie hatte sie nur einschlafen können? Erschrocken blickte sie auf, voller Angst, dass Sofia gestorben sein könnte, während sie schlief. Als könnte sie durch ihr bloßes Wachsein ihre Cousine am Leben halten. Ihr Blick fiel auf Johan, der hohläugig und unrasiert auf dem Sessel saß. Resigniert schüttelte er den Kopf. Sie betrachtete ihre Cousine. Sofia atmete immer noch, aber nur mit großer Mühe. Stöhnend stand Beatrice auf,
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