Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
prustend wieder an die Oberfläche. Dann drehte er sich um und schwamm zurück ans Ufer, wo er sich ins Gras legte und sich von der Sonne trocknen ließ.
Ihre Anschuldigung, er habe ihr nicht geschrieben, ließ ihn nicht los, wie ein Kieselsteinchen im Schuh. Nachdem sie nach ihrer leidenschaftlichen Begegnung in Göteborg auseinandergegangen waren, hatte er sie jede Sekunde vermisst. Wie konnte sie sich nach einem solchen Erlebnis gegen ihn entscheiden?
Als Johan ihm schrieb, sie hätte geheiratet, war er beinahe zusammengebrochen. Doch er hatte sich zusammengerissen, denn es gab so viele andere Menschen, die ihn brauchten. Er konnte Lily und Daniel nicht enttäuschen, die so auf ihn angewiesen waren und denen er ein Versprechen gegeben hatte.
Er hätte nie geglaubt, dass Beatrice und er sich je wiedersehen würden, doch jetzt hatte das Schicksal sie doch wieder zusammengeführt. Nachdenklich kaute er an einem Grashalm. Die Anziehung war immer noch da, das war ihm vollauf bewusst. Er dachte an ihren gestrigen Streit. Er war so zornig gewesen, doch sie war keinen Zentimeter gewichen, sondern hatte ihm nur weiter mit ihren hübschen Fingern vor der Nase herumgefuchtelt und ihn ohne jede Angst herausgefordert. Nur wenige Männer wagten es, ihm zu trotzen, wenn er so wütend war wie gestern, doch sie, eine zierliche Frau, war ihm gegenüber aufgetreten wie eine ganze Armee. Seth seufzte resigniert. Beatrice war überhaupt nicht so ungerührt, wie sie scheinen wollte. Obwohl sie sich damals gegen ihn entschieden hatte und obwohl sie jetzt einen neuen jungen Liebhaber hatte.
Die Eifersucht schlug wieder zu, und Seth stöhnte. Hannibal antwortete mit einem Schnauben und stampfte ungeduldig mit den Hufen. «Na komm, du bockiges Vieh, wir reiten zurück», seufzte Seth und zog sich wieder an. Leider war er kein bisschen schlauer als vor seinem Ausritt.
Als er zurückkehrte, war die Dämmerung schon angebrochen, und in der Ferne hörte er Donner grollen.
[zur Inhaltsübersicht]
37
Beatrice betastete die Diamanten, die sie sich von Vivienne ausgeliehen hatte. Die Kette blitzte und blinkte an ihrem Hals, während sie im Ballsaal stand und mit den anderen Gästen plauderte. Vivienne unterhielt sich mit einem französischen Politiker, und Beatrice hatte gerade einem von Viviennes Nachbarn zugewinkt, als Alexandre auftauchte und auf sie zusteuerte. Er sah geradezu unverschämt gut aus, dachte sie, obwohl sich an seinem Hemd ein Knopf gelockert hatte und er seine Krawatte nachlässig gebunden hatte. Seine Hände hatte er zwar eifrig geschrubbt, doch man sah immer noch die Farbflecken. Sogar in seinen Haaren saßen Farbspritzer. Er sah glücklich aus.
«Wo warst du denn die letzten Tage?», wollte Beatrice wissen, als er ihr die Hand küsste. «Ich habe dich kaum gesehen.»
Alexandres schwarze Augen funkelten frech, und sie wünschte sich von ganzem Herzen, sie könnte sich in diesen lebensfrohen Prinzen verlieben.
«Ich habe gemalt», antwortete er und ließ den Blick über sie schweifen. «Noch so ein phantastisches Kleid, chérie ?», fragte er lachend.
Seine Stimme klang mehr als anerkennend, und sein Lächeln wirkte echt, doch Beatrice entging nicht, dass sein Blick ein wenig flackerte. Er war höflich und aufmerksam wie immer, doch schien er irgendwie zerstreut – als wäre er mit den Gedanken woanders –, und Beatrice runzelte die Stirn. Sie merkte, dass sie sich sehr an Alexandres schmeichelhafte Aufmerksamkeit gewöhnt hatte.
«Da kommt Lady Tremaine», rief er plötzlich aus und starrte Lily an, die an Seths Arm den Raum betreten hatte. «Entschuldige mich», sagte er und ging dem Paar rasch entgegen. Verblüfft beobachtete Beatrice, wie er sich tief vor Lily verbeugte, die ihm wiederum ein strahlendes Lächeln schenkte. Dann deutete Alexandre mit einem Kopfnicken zu Beatrice, und Seth und Lily drehten sich zu ihr. Ohne von Seths schroffer Miene Notiz zu nehmen, ergriff der Prinz Lilys Hand.
Die Amerikanerin ließ sich zur Tanzfläche führen, und Beatrice musste widerwillig feststellen, dass Lady Tremaine mit ihren blonden Rauschgoldlocken heute Abend außergewöhnlich süß aussah, wie sie sich an Alexandres Arm festklammerte.
Seth blieb allein zurück und musterte Beatrice mit unergründlicher Miene. Vivienne, die das Schauspiel verfolgt hatte, beugte sich zu Beatrice.
«Ob er dich jetzt wohl auffordert, nachdem ihm Alexandre Lady Tremaine vor der Nase wegstibitzt hat?», flüsterte sie.
«Ich
Weitere Kostenlose Bücher