Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
reingezerrt, und jetzt wirft er mit dämlichen Anschuldigungen um sich. Er ist völlig verrückt geworden. Warum zum Teufel hast du bloß diesen kriecherischen, treulosen Bastard eingeladen?»
«Aber Beatrice», rief Vivienne schockiert.
«Hört, hört, die überspannte Frau hat gesprochen. Immer diese weibliche Hysterie, als ob es davon nicht schon genug gäbe in dieser verdammten Welt», zischte Seth.
«Hör auf zu fluchen, du ungehobelter Dreckskerl.»
Seth tat einen drohenden Schritt in ihre Richtung.
«Immer mit der Ruhe», warnte Jacques.
«Merde» , sagte Vivienne matt, doch keiner hörte sie. Sie machte einen Schritt auf die Streithähne zu. Vivienne de Beaumarchais, die in ihrem Leben noch nie etwas Unzivilisiertes getan hatte, holte zitternd Luft. «Merde» , flüsterte sie noch einmal. Dann erbrach sie sich direkt auf Seths Stiefel.
*
«Aber warum sagst du denn nichts? Gibt es irgendetwas, was ich für dich tun kann?», fragte Jacques, während er Vivienne ein feuchtes Tuch auf die Stirn legte.
Sie lehnte sich in ihre Kissen und bedachte ihn mit einem kühlen Blick. «Meinst du nicht, dass du schon genug angerichtet hast?», fragte sie.
Beatrice warf einen Blick ins Schlafzimmer. «Darf ich reinkommen?»
«Sieh an, sieh an, ist das nicht eine von meinen kultivierten nordischen Gästen», murmelte Vivienne. «Hast du es bis hierher geschafft, ohne weitere Vasen umzuwerfen? Nur dass du es weißt, die war aus dem 12. Jahrhundert. Es musste erst eine tollpatschige Schwedin daherkommen, damit sie kaputtging.»
«Ich bin Halbfranzösin.»
«Nicht unbedingt die bessere Hälfte, wenn du mich fragst», schnaubte Vivienne.
«Ich habe um Entschuldigung gebeten und nicht nur einmal. Ich habe auch angeboten, sie dir zu ersetzen. Du hast doch ohnehin so viele Vasen, was macht da schon eine mehr oder weniger?» Beatrice setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und sah sich in dem pompösen Zimmer um. «Ich bin noch nie in deinem Schlafzimmer gewesen. Wem willst du hier nacheifern – Marie Antoinette?»
Vivienne warf ihr einen wütenden Blick zu.
Jacques zwinkerte Beatrice zu. Seine Krawatte hing schief, und seine Locken waren noch zerzauster als gewöhnlich. Aber er sah sehr zufrieden aus.
«Na, wann kommt denn das Kleine?», erkundigte sich Beatrice munter.
«Grins nicht, Jacques», zischte Vivienne drohend. «Es ist ja nicht so, als hättest du ein Wunder vollbracht.» Sie wurde ganz grün im Gesicht, und Jacques konnte ihr gerade noch einen Eimer reichen, bevor sie sich erneut übergab.
«So, mon amour , gut so.» Jacques lächelte Beatrice an. «Vivienne gerät nur selten aus dem Gleichgewicht, man muss es genießen, solange es andauert. Aber sie sitzt bestimmt bald wieder im Sattel.» Er errötete. «Äh, ich meinte …»
«Kannst du uns vielleicht kurz allein lassen?», bat Beatrice.
Jacques nickte und stand auf, nicht ohne Vivienne noch einmal zärtlich die Wange zu tätscheln. «Klingle, wenn du etwas brauchst.»
Vivienne schnaubte nur, und Jacques verließ pfeifend das Zimmer.
«Das hat er mit Absicht gemacht, damit mir keine andere Wahl bleibt», sagte Vivienne unglücklich zu Beatrice. «Jetzt muss ich ihn heiraten. Ich bin viel zu alt dafür.»
Zärtlich sah Beatrice sie an. «Du kannst nicht verbergen, dass du glücklich bist, nicht vor mir. Und ihr werdet ein kleines bébé haben», fügte sie mit glänzenden Augen hinzu.
Vivienne blinzelte zurück.
«Du musst doch glücklich sein, oder nicht?», fragte Beatrice lächelnd.
Erschöpft sah Vivienne sie an. «Überglücklich», brachte sie gerade noch hervor, bevor sie sich wieder erbrach.
Später ging es Vivienne wieder so gut, dass sie draußen sitzen konnte. Beatrice nahm neben ihr auf der Bank im Schatten einer uralten Eiche Platz.
«Das Laub wird schon langsam rot», stellte Beatrice fest.
«Ja.»
Eine Weile saßen sie schweigend in der warmen Nachmittagssonne und beobachteten die Gäste, die im Park spazieren gingen.
«Ich habe gehört, dass Monsieur Hammerstaal ausgeritten ist», erzählte Vivienne. Sie nahm einen kleinen Schluck von ihrem heißen Tee. «Mein Stallmeister hat gesagt, dass er Hannibal genommen hat und für den Rest des Tages wegbleiben wollte», fuhr sie fort. «Dieses Pferd ist ein böses Vieh, aber Jacques meint, Seth weiß schon, was er tut.» Sie sah Beatrice an. «Zumindest, wenn es um Pferde geht.»
«Alexandre habe ich den ganzen Tag noch nicht zu Gesicht bekommen», bemerkte Beatrice
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