Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
anzusehen, wenn ich mit dir rede», meinte er gereizt.
Langsam wandte Beatrice sich um. Sie hob die Augenbrauen, und als sie den Kopf auf die Seite legte, wippte ihr kleiner Hut. Im Gegenlicht des Fensters waren ihre Augen schwarz. «Ich bin nicht sicher, ob mir dein Ton gefällt», stellte sie kühl fest.
«Ich will nur verstehen, warum du behauptest, ich hätte dir nicht geschrieben, wenn wir beide wissen, dass das nicht wahr ist. Es gefällt mir gar nicht, wenn man mich als Lügner hinstellt.»
Beatrice schnaubte, doch bevor sie ihn unterbrechen konnte, fuhr Seth fort: «Ich muss dir mindestens zwanzig Briefe nach Göteborg geschickt haben. Und ich habe keine einzige Antwort erhalten. Das heißt – doch, diese eine Nachricht, in der du mir mitgeteilt hast, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.»
Schweigend musterte sie ihn, und Seth wurde klar, dass er sie wie immer falsch eingeschätzt hatte. Sie hatte hellrote Flecken auf den Wangen, und ihre Brust hob und senkte sich in ihrem engen Kleid. Sie war viel wütender, als er gedacht hatte. Gut, er war schließlich auch wütend, und jetzt wollte er diese Sache klären, damit er sie ein für alle Mal hinter sich lassen konnte. Diese Frau trieb ihn noch in den Wahnsinn.
«Du hast sicher deine Gründe, wenn du behauptest, du hättest mir tonnenweise Briefe geschickt», sagte Beatrice eiskalt, und aus ihren Augen schossen Blitze. «Tatsache bleibt jedoch, dass ich keinen einzigen erhalten habe.» Sie machte einen Schritt auf ihn zu, und er sah, dass ihre Kiefer vor Zorn mahlten. «Und du musst schon entschuldigen, aber ich kann nicht behaupten, dass mich das Mitleid umgebracht hätte. Ich hatte nämlich so einige andere Dinge im Kopf als dein aufgeblasenes Ego, während du auf deine Liebesreise nach Amerika fuhrst.»
«Ja, du solltest ja deinen Grafen heiraten, nicht wahr?», zischte er, während er innerlich vor Wut kochte. «Zu dumm, dass ich dir wieder dazwischenkam. Aber andererseits …», sagte er, als wäre ihm ganz plötzlich etwas eingefallen. «So besonders schwer war es ja damals in Göteborg nicht, dich zu überreden, wenn ich mich recht erinnere. Du wolltest doch unbedingt mein Zimmer sehen.»
Beatrice machte noch einen Schritt auf ihn zu und sah aus, als wollte sie ihn gleich schlagen. «Nein, aber du wusstest genau, wie du mich dahinkriegen konntest, wo du mich haben wolltest, nicht wahr?», fauchte sie. «Was war ich für eine Idiotin, mich darauf einzulassen.»
«Es sieht dir gar nicht ähnlich, dich selbst zu bemitleiden», fauchte er zurück. Er stemmte die Fäuste in die Seiten.
«Du weißt doch überhaupt nichts von mir! Überhaupt nichts!», erwiderte sie zornig und fuchtelte mit den Händen.
Ein Diener öffnete die Tür, steckte den Kopf herein und öffnete den Mund.
«Raus!», brüllte Seth.
Die Tür wurde hastig wieder zugezogen.
«Charmant wie immer», bemerkte Beatrice ironisch.
«Ich bin vielleicht kein eleganter Prinz, aber ich verdiene doch wohl mehr als das hier.» Seth hätte vor Wut am liebsten mit dem Fuß aufgestampft. «Ich habe immer gewusst, dass du eine Lügnerin bist, aber du kannst mich nicht mehr täuschen, ich habe dich und deine Spielchen längst durchschaut. Und ich verlange, dass du endlich aufhörst, mir die Schuld zu geben, das ist unser beider unwürdig», schrie er.
«Verlangen?», keuchte Beatrice. «Du hast überhaupt kein Recht, irgendetwas von mir zu verlangen.» Wieder wedelte sie mit den Händen, und Seth wich reflexartig zurück. Ihre fuchtelnden Arme trafen jedoch eine der zahlreichen riesigen Vasen im Zimmer, die prompt auf ihrem Sockel hin und her zu schwanken begann. Seth versuchte noch, sie aufzufangen, doch sie war außerhalb seiner Reichweite, kippte, fiel und zersplitterte mit ohrenbetäubendem Klirren auf dem Boden. Die Scherben flogen in alle Richtungen.
«Merde!» , fluchte Beatrice.
«Verdammt und zugenäht!», schrie Seth.
Keuchend vor Zorn starrten sie sich an. Da flog die Tür auf, und Jacques trat ein, dicht gefolgt von einer erbosten Vivienne.
«Was macht ihr eigentlich?», fragte sie. «Ihr brüllt hier herum, dass man es im ganzen Haus hört. Und meine Diener erschreckt ihr auch noch.» Sie sah Beatrice an, doch die warf nur den Kopf in den Nacken. Da fiel Viviennes Blick auf die Vase, die in Millionen Scherben auf dem Boden lag. «Und was habt ihr mit meiner Ming-Vase gemacht?», schrie sie.
«Er ist schuld.» Wütend zeigte Beatrice auf Seth. «Er hat mich hier
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