Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
zuwenden. Immerhin war sie ja nach Schweden gekommen, um sich weiterzubilden. Sie sah sich um. Keine Spur von rohem Fisch. Gott sei Dank.
«Wie gefällt dir denn dein Leben als Schlossherr?», fragte Johan, während er den Whisky betrachtete, den er langsam im Glas schwenkte.
Nur noch Jacques, Seth und er waren auf. Alle anderen hatten sich schon lange zur Nachtruhe verabschiedet. Die drei Männer saßen in einem der Salons des Schlosses. Die Fenster standen offen, um die laue Sommernacht einzulassen, und sie genossen die Zigarren und Seths schottischen Single Malt.
Seth hob fragend die Augenbrauen.
Johan zuckte entschuldigend mit den Schultern. «Ehrlich gesagt, du siehst ziemlich mitgenommen aus», meinte er. «Olav hat mir erzählt, dass du rund um die Uhr arbeitest, und in der Stadt habe ich alle möglichen Gerüchte über dich gehört. Ich dachte, du hättest dir Wadenstierna zugelegt, um dein Tempo mal ein wenig zu drosseln?»
«Dein Leben als Ehemann hat dich wohl zimperlich gemacht», meinte Seth abwehrend. «Ich arbeite am Tag, und am Abend treffe ich mich mit schönen Frauen. Ich habe wirklich keinen Grund zur Klage.» Er kippte seinen Whisky herunter.
«Lass ihn doch in Ruhe. Wenn er in dieser Laune ist, kann man nicht mit ihm reden», meinte Jacques. Er sagte es in einem möglichst sorglosen Ton, doch in seinem Blick lag eine Warnung, und Johan verstand sie und schwieg.
«Fehlt dir dein Junggesellendasein denn gar nicht?», erkundigte sich Jacques, und Johan begriff, dass der Franzose vom Thema Seth ablenken wollte.
Er schüttelte den Kopf. «Vielleicht bin ich zimperlich geworden», antwortete er, «aber das Leben als Ehemann hat seine Vorteile.» Er nahm die Flasche, die Jacques ihm reichte. «Du solltest es ausprobieren. Wo wir gerade davon reden – warum hast du deine Vivienne denn noch nicht zu einer ehrbaren Frau gemacht? Ihr seid doch wie füreinander geschaffen.»
Jacques zog eine Grimasse, griff noch einmal nach der Whiskyflasche und goss sich und Seth einen Schuss des rauchig schmeckenden Getränks ein. «Genau das ist meine Absicht», sagte er. «Glaub mir, ich habe versucht, sie zu einer ehrbaren Frau zu machen, aber sie will nicht. Ich verstehe nicht, was im Kopf dieser sturen Frau vorgeht.»
«Meinst du, dass sie dich nicht will?», fragte Johan. Seine Mundwinkel zuckten.
«Sie hat mir schon zwei Körbe gegeben», sagte Jacques verdrossen. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah ganz verblüfft aus, als Johan laut loslachte.
«Lach du nur, wenn du das so schrecklich lustig findest», knurrte Seth kühl.
Die Bitterkeit in der Stimme seines Freundes ließ Johan zusammenzucken. «Was meinst du damit?», fragte er und runzelte die Stirn.
«Das heißt, dass ich auch schon mal einen Korb bekommen habe, und es war überhaupt nicht lustig.» Seth leerte sein Glas und hielt es Jacques sofort wieder zum Nachschenken hin. Es sah aus, als wollte er sich richtig betrinken. Johan hatte ihn noch nie so trinken sehen.
«Das meinst du doch wohl nicht im Ernst? Wer sollte dir denn einen Korb geben?», fragte Jacques, während er Seths Glas auffüllte.
«Wenn du es denn unbedingt wissen musst: Ich war einmal umnachtet genug, um die Hand von Beatrice Löwenstein anzuhalten, aber ich wurde abgewiesen.»
Johan und Jacques starrten ihn fassungslos an.
«Wie bitte?» Johan war völlig verblüfft.
«Bist du taub?», zischte Seth. «Ich habe um ihre Hand angehalten, und sie hat Nein gesagt, weil sie sich schon mit Rosenschöld verlobt hatte.» Er spuckte die Worte beinahe aus.
«Aber das verstehe ich nicht …», sagte Johan. Seths Verhalten und seine Worte waren völlig unlogisch. Johan musste an sein Gespräch mit Sofia zurückdenken. Nach ihren Worten hatte Beatrice sich entschieden, die arrangierte Ehe mit Rosenschöld einzugehen, weil Seth sie nicht haben wollte. Und jetzt saß er hier und sah aus, als würde er fast zugrunde gehen an seinem Liebeskummer.
«Was zum Teufel gibt es da nicht zu verstehen?», fragte Seth.
«Warum hat sie Nein gesagt?», bohrte Johan hartnäckig weiter.
Seths Gesicht verzog sich zu einer bitteren Grimasse. «Ich sage dir doch, sie wollte einen Adelstitel. Frauen haben eben so ihre Prioritäten.»
«Ich finde, das klingt sehr merkwürdig», beharrte Johan.
Jacques schüttelte warnend den Kopf, und Johan begriff, dass Seth schon an einer gefährlichen Grenze war.
«Was spielt das denn noch für eine Rolle?», presste Seth zwischen
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