Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
und gerade noch verhindern können, dass die wahnsinnige Mutter ihren Sohn erschlug. Er fand, dass er ein Recht hatte, sich einzumischen, wenn irgendetwas nicht in Ordnung war. Irgendjemand musste es ja tun.
«Geht es um Fräulein Beatrice?», fragte er vorsichtig. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie fasziniert Seth von der rothaarigen Frau gewesen war. Die Nachricht von ihrer Verlobung war ein Schock gewesen, und er hatte sich Sorgen gemacht, wie Seth reagieren würde.
«Es geht bald vorbei», antwortete Seth leichthin. «Mein Ego hat zwar einen Schlag erhalten, als sie einen alten Grafen meinem Liebeswerben vorzog, aber ich kann dir versichern, dass ich darüber hinwegkomme. Das ist nichts, wovon man größeres Aufheben machen müsste.» Sein Blick verlor sich in der Ferne.
Langsam schüttelte Olav den Kopf. Er hatte die ganze Zeit überlegt, ob es Seth vielleicht ernst gewesen war mit der lebhaften Beatrice, und nachdem er dies nun bestätigt sah, wurde ihm schwer ums Herz. Kein Wunder, dass Seth nicht mehr wiederzuerkennen war. Wenn er um Beatrice gefreit hatte, musste er ja ziemlich starke Gefühle für sie gehegt haben. Und dann war er abgewiesen worden.
Seth musste seine bedrückte Miene bemerkt haben, denn er lachte und klopfte ihm auf die Schulter.
«Mach dir keine Sorgen, das passt nicht zu dir. Übrigens kommen morgen Jacques und Vivienne, ich habe heute Vormittag Bescheid bekommen, dass sie Mittsommer mit uns feiern wollen.» Er lachte vergnügt. «Ich freue mich schon darauf, die Frau kennenzulernen, die einen Jacques Denville um den kleinen Finger wickeln kann.»
Olav lachte über Seths Anflug von Fröhlichkeit. «Du weißt, dass ich hoffe, dich eines Tages verheiratet zu sehen», sagte er nun wieder ernst. «Ich glaube, eine Frau und eigene Kinder würden dir guttun.»
Seth trieb sein Pferd an, und sie ritten auf eine Hügelkuppe. Unter ihnen lag blau glitzernd das Wasser. Die Fahnen von Wadenstierna flatterten munter im Sommerwind, und die Sonne trat langsam ihren Weg gen Westen an.
«Ich dachte immer, du hältst mich für viel zu nörgelig, als dass irgendeine Frau mich würde haben wollen», sagte Seth.
«Juliana Sparre schien sich in deiner Gesellschaft doch sehr wohl zu fühlen», meinte Olav mit fragendem Unterton.
Aber Seth schüttelte nur den Kopf. «Nein, die nicht. Auch wenn sie einen göttlichen Körper hat», fügte er hinzu.
«Bitte vergiss nicht, dass ich Pfarrer bin.»
«Ja, ja. Übrigens, wie stehen die Dinge eigentlich mit Miss Mary Highman?», fragte Seth betont unschuldig. «Wie ich gesehen habe, hat sie dir geschrieben. Schon wieder.»
«Ich kann dir versichern, dass zwischen Miss Mary und mir nichts Ungebührliches vorgefallen ist. Unsere Korrespondenz ist vollkommen ehrenhaft», erwiderte Olav würdevoll, doch er spürte, wie er rot wurde.
Seth lachte laut. Dann nahm er die Zügel auf, stand in den Steigbügeln auf und spähte über die fruchtbare Landschaft. «Na, dazu habe ich meine eigene Meinung», sagte er. «Aber ich verspreche, dass ich mich mehr um Christian kümmern werde, wenn ich deinen Klagen damit ein Ende setzen kann. Komm, wir machen ein Wettrennen runter zum Schloss. Der Sieger darf morgen Madame de Beaumarchais zu Tisch führen.»
*
Jacques Denville warf einen Blick aus dem Fenster des eleganten Wagens, der ihn und Vivienne de Beaumarchais nach Schloss Wadenstierna brachte. Er beobachtete, wie die Bauern einen Maibaum für die Mittsommerfeier aufstellten. Seine Begleiterin sah ebenfalls aus dem Fenster.
«Was ist das denn?», fragte sie verblüfft.
«Ein schwedischer Brauch, den ich nie so ganz verstanden habe», antwortete Jacques. «Sie tanzen um so einen geschmückten Baumstamm und trinken Schnaps bis zum Umfallen. Und rohen Fisch essen sie, glaub ich, auch noch dazu.»
«Hmm. Sehr merkwürdig», meinte Vivienne und betrachtete weiter die idyllische Landschaft, die vor dem Wagenfenster vorbeizog.
Sehnsuchtsvoll musterte Jacques Viviennes Profil, die langen schwarzen Wimpern und das glänzende dunkelbraune Haar unter dem extravaganten Sommerhut. Er war so verliebt, dass es schon wehtat.
«Was ist?» Sie drehte sich um. Ihre blaugrauen Augen funkelten, und Jacques seufzte sehnsüchtig.
«Du weißt, dass du mich zum glücklichsten Mann auf Erden machen würdest …», begann er, doch Vivienne schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Jacques ergriff ihre behandschuhte Hand und küsste sie leidenschaftlich, doch er gehorchte und insistierte
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