Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
nicht weiter. Wann würde diese sture Frau endlich verstehen, dass es ihm ernst war?
«Ist Monsieur Hammerstaal verheiratet?», fragte sie.
Jacques schüttelte den Kopf, ließ ihre Hand aber immer noch nicht los und verflocht seine Finger mit ihren. «Nein, aber nach allem, was ich gehört habe, hat sich Seth in den letzten Monaten durch den gesamten Frauenbestand Stockholms gearbeitet.»
Fragend hob Vivienne die Augenbrauen.
«Ich glaube, Seth war tatsächlich vor einer Weile richtig verliebt in eine Frau», fuhr er fort. «Aber sie hat sich für einen anderen entschieden, und jetzt hasst er sie.» Jacques setzte sich neben seine Gefährtin und zog sie an sich. «Aber warum sprechen wir von anderen Männern? Küss mich lieber.»
Vivienne ließ sich überzeugen und gewährte ihm den Kuss. Sie musste zugeben, dass sie sich in Jacques’ Gesellschaft durchaus wohl fühlte. Er konnte gut küssen und verstand sich auch auf all die anderen Dinge, die einer Frau wichtig waren. Und im letzten halben Jahr hatte er zweimal um ihre Hand angehalten. Natürlich hatte sie Nein gesagt. Sie war nicht interessiert daran, neuerlich einen Mann zu haben, der über sie bestimmen durfte. In Sachen Ehe hatte sie ihre Lektion gelernt, deswegen war sie nicht bereit, es noch einmal zu probieren.
«Und wie fandest du die Reise bis jetzt?», murmelte Jacques mit den Lippen an ihrem Mund, ohne ihre Hand loszulassen.
«Gar nicht schlecht», antwortete sie mit einem leichten Lächeln. Als sie im Herbst von der geplanten Bildungsreise in den Norden erzählt hatte, hatte Jacques darauf bestanden, sie zu begleiten. Inzwischen hatten sie Karlberg, Drottningholm, das königliche Schloss und noch einige andere Sehenswürdigkeiten zusammen besichtigt. Als er sie bat, sie seinem Freund vorstellen zu dürfen, hatte sie sich mit großer Skepsis darauf eingelassen. Das Letzte, woran sie interessiert war, war ein ehemaliger schwedischer Offizier, der in einer zugigen Ruine mitten im Nirgendwo wohnte.
Doch nichts hatte sie auf den Anblick vorbereitet, der sich ihnen am Ende der großzügigen Auffahrtsallee bot. Obwohl Vivienne de Beaumarchais für sich in Anspruch nahm, nicht leicht zu beeindrucken zu sein, musste sie nach Luft schnappen, als sie durch das Wagenfenster das weiße Schloss erblickte.
«Merde!» , rief sie und starrte Jacques an. «Was für ein Palast! Und du hast mich in dem Glauben gelassen, es wäre nur eine alte Ruine.»
Er grinste. Offenbar war er zufrieden mit ihrer Reaktion auf den umwerfenden Anblick. «Niemals. Du bist davon ausgegangen, dass es eine alte Ruine ist, und ich habe nichts dagegen gesagt. Du bist ein Snob, Viv. Es geschieht dir recht, wenn deine Vorurteile sich als Vorurteile entpuppen.»
«Das ist wirklich großartig», gab sie zu. «Als du sagtest, dass das Schloss aus dem Mittelalter stamme, habe ich mir so etwas einfach nicht vorstellen können – es ist wundervoll», staunte sie und betrachtete das schimmernd weiße Wadenstierna mit aufrichtiger Bewunderung.
«Willkommen, Denville», hörte Vivienne eine tiefe Stimme hinter sich auf Französisch sagen. Sie drehte sich um und blinzelte dem Mann entgegen, der auf den Vorhof gekommen war, auf dem ihr Wagen gehalten hatte. Er war größer als Jacques, breiter und kräftiger und nicht ganz so gut aussehend. Er hatte harte, fast schon zynische Linien im Gesicht und einen strengen Zug, der dem Charmeur Jacques völlig abging. Doch Vivienne war Frau genug, diese Aura roher Kraft aufrichtig zu schätzen, die den großen Mann umgab. Außerdem war er tadellos gekleidet. In der schönen, hellen Hose, dem weißen Leinenhemd und der eleganten Jacke war er meilenweit entfernt von dem unzivilisierten Mann, den sie sich vorgestellt hatte. Sie beobachtete, wie die beiden Männer sich herzlich begrüßten, dann wandte sich Monsieur Hammerstaal ihr zu. «Willkommen auf Wadenstierna, Madame de Beaumarchais», sagte er mit seiner dunklen Stimme, während seine intensiven Augen sie aufmerksam musterten.
Vivienne spürte, wie ihr ein wohliger Schauder über das Rückgrat lief. Sie hatte noch nie eine Schwäche für den ernsthaften Typ Mann gehabt, doch dieser hier – mon dieu , was für ein Mann.
«Jacques hat mir erzählt, Sie seien die schönste Frau, die er je kennengelernt hat. Jetzt sehe ich, dass seine unmusischen Versuche, Sie zu beschreiben, Ihrer Schönheit nicht annähernd gerecht werden.» Ein kurzes Lächeln stahl sich auf Seth Hammerstaals beherrschtes Gesicht,
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