Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
und Viviennes Puls wurde etwas schneller.
«Pah!» Sie wedelte abwehrend mit der Hand. «Jacques redet so viel, die Hälfte würde auch reichen, Monsieur Hammerstaal.»
«Da kann ich Ihnen nur zustimmen», meinte Seth und bot ihr den Arm, den sie mit Anmut annahm. Zufrieden betastete sie die starken Muskeln. Dieser Ausflug würde doch nicht so übel werden, wie sie befürchtet hatte.
Für den Mittsommerabend hatte Seth noch einige weitere Freunde zum Abendessen eingeladen. Die Dienerschaft hatte den Tisch unten am Wasser gedeckt, und Seth hatte ein Sonnensegel aufspannen und Wein in eisgefüllten Eimern kalt stellen lassen. Die Grillfeuer brannten schon, und das Fleisch, das sich unter der Aufsicht von zwei Dienern am Spieß drehte, verbreitete seinen appetitlichen Duft. Gequält blickte Seth übers Wasser, während er auf seine Gäste wartete. Er gestattete sich nur selten einen Gedanken an Beatrice, aber heute konnte er es einfach nicht unterdrücken. Vielleicht weil Johan und Sofia ebenfalls kommen sollten, wahrscheinlich erinnerte ihn das frisch verheiratete Paar an das, was er sich selbst so heiß ersehnt hatte. Er schluckte den Kloß im Hals und drehte sich um, als er die Gäste kommen hörte.
Sofia lauschte Vivienne de Beaumarchais mit großen Augen.
«Und in ein paar Wochen reisen wir weiter nach Uppsala, um Linnés Heimat zu sehen», fuhr Vivienne fort, und Sofia, die zu keinem Wort fähig war, blinzelte nur. Diese Frau war wie ein neuer Geschmack oder ein exotischer Duft, und ihre Kleider waren von einer Qualität, die alles in Schweden bei Weitem übertraf. Der Schnitt – von den Spitzen am weißen Sonnenschirm bis zu den Silberabsätzen an den eleganten Seidenschuhen – war so umwerfend modern, dass Sofia nur noch den brennenden Wunsch verspürte, auch so etwas Schönes zu besitzen. Vivienne war einfach die exquisiteste Person, die sie jemals kennengelernt hatte. Und wenn Sofia das atemberaubend schnelle Französisch richtig verstanden hatte, dann reiste diese Frau gerade allein durch den Norden. Sie warf einen Blick auf den gutgekleideten schwarzhaarigen Franzosen, der Vivienne anlächelte. Na ja, fast allein.
Anscheinend ließ sie sich vom eleganten Jacques Denville begleiten, ohne jede Anstandsdame, abgesehen von einer Armada Bediensteter. Sofia fand es im Grunde schockierend. Aber vielleicht lebten die Witwen in Frankreich ja nach anderen Regeln?
Während Vivienne weiter redete und gestikulierte, musterte Sofia heimlich Seth. Sie wäre ihm am liebsten aus dem Weg gegangen und hatte das Gefühl, unloyal gegenüber Beatrice zu sein, die zu Hause saß, während sie selbst auf ein Fest gefahren war. Bestimmt hätte ihre Cousine mit Vergnügen die schillernde Vivienne kennengelernt.
Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, drehte sich Jacques zu ihr um. «Ist Fräulein Beatrice auch hier?»
Sofia spürte, wie es ihr den Hals zuschnürte. Tränen brannten ihr in den Augen. «Nein», sagte sie leise.
Vivienne sah die beiden fragend an.
«Wir sprechen von Frau Stjerneskanz’ Cousine. Ich habe sie auf der Hochzeit kennengelernt», erklärte Jacques und wechselte dann geschickt das Thema.
Von allen Gästen hatte nur Vivienne bemerkt, wie Seth erstarrte, als Fräulein Beatrice erwähnt wurde. Nachdenklich sah sie ihn an. Sein Blick schien sich irgendwo in der Ferne zu verlieren, und ihre Gedanken begannen wie von selbst zu wandern. Während sie mit einem Ohr der Konversation lauschte, begann ihr Gehirn, alle interessanten Fakten zusammenzutragen.
Einer der männlichsten und wohlhabendsten Junggesellen, die sie je getroffen hatte, hatte sich nach Jacques’ Angaben vor einer Weile in eine Frau verliebt, die ihn jedoch abwies. Jacques glaubte, dass sein Freund diese Frau hasste. Doch derselbe Junggeselle erstarrte jetzt zur Salzsäule bei der bloßen Erwähnung Fräulein Beatrices. Mit keinem Wort und keiner Miene verriet er, dass er Beatrice kannte oder sich irgendwie für sie interessierte.
Ihre Mundwinkel zuckten, als ihr die Wahrheit dämmerte.
Oh, là, là. Seth Hammerstaal hasste Beatrice überhaupt nicht. Er war verliebt in sie. Vivienne sah sich um. Und keiner seiner Freunde ahnte irgendetwas. Très intéressant.
Frohes Gelächter riss sie aus ihren Gedanken, als sich zwei weitere Gäste am Seeufer einfanden. Johans Schwestern, nahm sie an und musterte die beiden. Nun gut, sie würde sich ihren interessanten Gedanken zu Seth Hammerstaal und seinem Liebesleben später noch einmal
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