Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist
entdeckte, dass die Energie des leeren Raums nicht nur nicht null beträgt, sondern unerklärlicherweise einen Wert annimmt, der 120 GröÃenordnungen kleiner ist als der nach den Vorstellungen aus der Teilchenphysik zu erwarten gewesene Schätzwert, galt es unter Physikern als ausgemacht, dass jeder in der Natur gemessene Grundparameter tatsächlich bedeutsam ist. Das hieÃ: Auf der Basis grundlegender Prinzipien sollten wir am Ende in der Lage sein, beispielsweise zu verstehen, warum die Gravitation so viel schwächer ist als die anderen Naturkräfte, warum das Proton 2000-fach schwerer ist als das Elektron und warum es drei Familien von Elementarteilchen gibt. Anders ausgedrückt: Sobald wir die fundamentalen Gesetze verstünden, die die Naturkräfte auf ihren kleinsten Skalen steuern, würden all diese aktuellen Mysterien als natürliche Folgen jener Gesetze enthüllt werden. 34
Doch die Entdeckung, dass der leere Raum Energie besitzt, löste bei vielen Physikern ein Umdenken aus; sie begannen sich zu fragen, was in der Natur notwendig ist und was vielleicht nur zufällig auftritt.
Angeregt wurde diese neue Denkfigur durch das Argument, das ich im letzten Kapitel vorgetragen habe: Die Dunkle Energie ist heute messbar, weil »jetzt« der einzige Zeitabschnitt in der Geschichte des Universums ist, in dem die Energie des leeren Raums mit der Energiedichte in Materie vergleichbar ist.
Warum aber leben wir überhaupt in einer angeblich so »besonderen« Zeit in der Geschichte des Universums? Diese Frage ist in der Tat ein Schlag ins Gesicht für all das, was die Naturwissenschaft seit Kopernikus ausgemacht hat. Wir haben erfahren, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Sonnensystems und die Sonne ein Stern in den einsamen AuÃenbezirken einer Galaxie ist, die wiederum nur eine unter 100 Milliarden Galaxien im beobachtbaren Universum darstellt. Wir haben das »kopernikanische Prinzip« zu akzeptieren gelernt, wonach unser Ort und unsere Zeit im Universum nichts Besonderes an sich haben.
Doch angesichts der Energie des leeren Raums, wie sie sich darstellt, scheinen wir tatsächlich in einem besonderen Zeitalter zu leben. Am besten lässt sich das mit der folgenden Abbildung, einer »kurzen Geschichte der Zeit«, demonstrieren:
Die beiden Kurven stehen für die Energiedichte der gesamten Materie im Universum und die Energiedichte des leeren Raums 35 als Funktion der Zeit. Wie zu erkennen ist, nimmt die Dichte der Materie ab, während das Universum expandiert 36 â genau das würde man erwarten. Dagegen bleibt die Energiedichte im leeren Raum konstant, weil im leeren Raum nichts vorhanden ist, was zu verdünnen wäre! 37 Die beiden Kurven schneiden einander relativ nahe an der Gegenwart, was der Ursprung jener seltsamen Koinzidenz ist, die ich beschrieben habe.
Sehen wir uns nun an, was geschehen würde, wenn die Energie im leeren Raum, sagen wir, 50-mal gröÃer wäre als der heutige Schätzwert. Dann würden sich die beiden Kurven zu einem früheren Zeitpunkt schneiden, wie in der folgenden Abbildung zu erkennen ist:
Der Zeitpunkt, zu dem sich die beiden Kurven für den oberen, gröÃeren Wert der Energie des leeren Raums schneiden, liegt in dem Bereich, in dem die ersten Galaxien entstanden sind â etwa eine Milliarde Jahre nach dem Big Bang. Wir sollten jedoch daran denken, dass die Energie des leeren Raums als abstoÃende Gravitation wirkt. Hätte sie die Energie des Universums bereits vor der Zeit der Galaxienbildung beherrscht, hätte die aus dieser Energie hervorgehende abstoÃende Kraft die normale Anziehungskraft der Gravitation (buchstäblich) überwogen, welche die Materie veranlasst hat, sich zusammenzuballen. Das heiÃt, Galaxien hätten sich niemals gebildet!
Wenn aber keine Galaxien entstanden wären, hätten sich auch keine Sterne gebildet. Und ohne Sterne wären keine Planeten entstanden. Und hätten sich keine Planeten gebildet, hätte es keine Astronomen gegeben!
In einem Universum, dessen Energie des leeren Raums nur 50-mal gröÃer ist, als wir heute beobachten, wäre also offenkundig niemand da, der versuchte, diese Energie zu messen.
Sollte uns das etwas sagen? Kurz nach der Entdeckung des expandierenden Universums schlug der Physiker Steven Weinberg auf der Grundlage eines ein Jahrzehnt zuvor (vor der Entdeckung der Dunklen Energie) von ihm entwickelten
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