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Ein Universum aus Nichts

Ein Universum aus Nichts

Titel: Ein Universum aus Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence M Krauss
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ersten entscheidenden Datensätze, die dazu beitrugen, dass das Bild des Urknalls die Oberhand gewann über das damals sehr populäre Modell eines statischen Universums, das von Fred Hoyle und seinen Kollegen favorisiert wurde.
    In ferner Zukunft jedoch wird alles ganz anders sein. Sterne beispielsweise verbrennen Wasserstoff und produzieren dabei Helium. Derzeit könnten nur etwa 15 Prozent des gesamten im Universum beobachteten Heliums im Zeitraum seit dem Urknall von Sternen erzeugt worden sein – ein weiteres überzeugendes Beweisstück, dass ein Big Bang erforderlich war, um das hervorzubringen, was wir heute sehen. In der fernen Zukunft wird das jedoch nicht mehr so sein, weil dann viele Generationen von Sternen gelebt haben und gestorben sein werden.
    Ist das Universum beispielsweise eine Billion Jahre alt, wird in Sternen sehr viel mehr Helium produziert worden sein als im Big Bang. Diese Situation ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

    Wenn 60 Prozent der sichtbaren Materie des Universums aus Helium bestehen, muss kein ursprüngliches Helium in einem heißen Big Bang entstanden sein, damit eine Übereinstimmung mit Beobachtungen herauskommt.
    Dennoch werden Beobachter und Theoretiker in irgendeiner Zivilisation der fernen Zukunft aus diesen Daten ableiten können, dass das Universum bis dahin ein finites Alter gehabt haben muss. Weil Sterne Wasserstoff zu Helium verbrennen, gibt es eine Obergrenze für die Zeit, die Sterne existiert haben können, damit das Verhältnis von Wasserstoff und Helium nicht noch weiter verringert wird. Künftige Wissenschaftler werden also schätzen, dass das Universum, in dem sie leben, weniger als eine Billion Jahre alt ist. Doch es wird jeder direkte Hinweis darauf fehlen, dass sein Anfang einen Big Bang einschloss und nicht etwa eine andere Art spontaner Entstehung unserer künftigen einzigen (Meta-)Galaxie.
    Erinnern wir uns, dass Lemaître seine Behauptung eines Big Bang allein daraus abgeleitet hatte, dass er über Einsteins Allgemeine Relativität nachdachte. Wir dürfen davon ausgehen, dass jede fortgeschrittene Zivilisation in der fernen Zukunft die Gesetze der Physik entdecken wird – Elektromagnetismus, Quantenmechanik und Allgemeine Relativität. Wird ein Lemaître der fernen Zukunft deshalb imstande sein, eine ähnliche Behauptung abzuleiten?
    Lemaîtres Folgerung, dass unser Universum in einem Big Bang begonnen haben muss, war unvermeidlich, beruhte jedoch auf einer Annahme, die für das beobachtbare Universum der fernen Zukunft nicht zutreffen wird. Ein mit Materie versehenes Universum, das sich gleichförmig in alle Richtungen erstreckt sowie isotrop und homogen ist, kann nicht statisch sein – aus den Gründen, die Lemaître und am Ende auch Einstein erkannten. Es gibt aber eine absolut richtige Lösung von Einsteins Gleichungen für ein einzelnes Masse enthaltendes System, das von einem ansonsten leeren statischen Raum umgeben ist. Denn wenn es eine solche Lösung nicht gäbe, könnte die Allgemeine Relativität isolierte Objekte wie Neutronensterne oder letztlich Schwarze Löcher nicht beschreiben.
    Große Massenverteilungen wie unsere Milchstraße sind instabil, sodass unsere (Meta-)Galaxie schließlich selbst in sich zusammenstürzen und zu einem massiven Schwarzen Loch werden wird. Beschrieben wird dieser Vorgang in einer statischen Lösung von Einsteins Gleichung, der sogenannten Schwarzschild-Lösung. Der Zeitrahmen, in dem unsere Galaxie zu einem massiven Schwarzen Loch kollabieren wird, ist jedoch weit größer als der Zeitrahmen, in dem das übrige Universum verschwinden wird. Folglich wird den Wissenschaftlern der Zukunft die Vorstellung selbstverständlich erscheinen, dass unsere Milchstraße für eine Billion Jahre im leeren Raum ohne einen bedeutenden Kollaps existiert haben könnte und ohne dass sie notwendigerweise von einem expandierenden Universum umgeben gewesen sein musste.
    Spekulationen über die Zukunft sind bekanntlich schwierig. Während ich dies schreibe, sitzen beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos tatsächlich Horden von Wirtschaftswissenschaftlern, die unverdrossen das Verhalten künftiger Märkte vorhersagen und ihre Voraussagen revidieren, wenn sich herausstellt, dass sie schrecklich danebenlagen. Ganz allgemein kommen mir alle Vorhersagen für die ferne Zukunft und selbst für die nicht so ferne Zukunft von Wissenschaft und Technologie sogar noch unzulänglicher vor als jene der traurigen

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