Ein Universum aus Nichts
des Stoffwechsels geführt haben? Ähnlich wie in der Physik während der 1970er Jahre haben wir im vergangenen Jahrzehnt unglaubliche Fortschritte erlebt. Beispielsweise lernten wir natürliche organische Pfade kennen, auf denen unter plausiblen Bedingungen Ribonukleinsäuren erzeugt werden können – diese RNA hat man lange Zeit für die Vorläufer unserer modernen, auf DNA beruhenden Welt gehalten. Bis vor Kurzem glaubte man, ein solcher direkter Pfad sei unmöglich, weshalb einige weitere Zwischenstufen eine entscheidende Rolle gespielt haben müssten.
Nun zweifeln nur wenige Biochemiker und Molekularbiologen daran, dass das Leben auf natürliche Weise aus Nichtleben hervorgehen kann, auch wenn die Details noch zu entdecken bleiben. Doch in der Debatte all dieser Möglichkeiten waren unsere Gespräche von einem gemeinsamen Subtext durchdrungen: War es notwendig, dass das Leben, das sich anfangs auf der Erde entwickelte, genau im Rahmen der heute bekannten Chemie entstand, oder gibt es viele verschiedene, ebenfalls funktionierende Möglichkeiten?
Einstein stellte sich einst eine Frage, die, wie er sagte, das Einzige betraf, was er über die Natur wirklich wissen wollte. Ich gebe zu, es handelt sich um die am tiefsten reichende fundamentale Frage, die viele gern beantwortet hätten. Einstein sagte es so: »Ich möchte wissen, ob Gott [sic] bei der Erschaffung des Universums eine Wahl hatte.«
Ich habe das hervorgehoben, weil Einsteins Gott nicht der Gott der Bibel war. Einstein empfand angesichts der Existenz von Ordnung im Universum eine so tief reichende Verwunderung, dass er dieser Ordnung gegenüber eine spirituelle Verbindung spürte. In Anlehnung an Spinoza gab er ihr den Namen »Gott«. Mit der Frage meinte Einstein jedenfalls das Thema, das ich im Zusammenhang mit mehreren unterschiedlichen Beispielen geschildert habe: Sind die Naturgesetze einzigartig? Und gilt das auch für das von uns bewohnte Universum, das aus diesen einzigartigen Gesetzen hervorging? Wenn wir eine Kleinigkeit, eine Konstante oder eine Kraft auch nur geringfügig verändern – würde dann das ganze Gebäude einstürzen? Oder im biologischen Sinn gefragt: Ist die Biologie des Lebens einzigartig? Sind wir einzigartig im Universum? Diese überaus wichtige Frage werden wir weiter unten eingehender erörtern.
Während wir durch eine solche Debatte dazu veranlasst werden, Begriffe wie »Nichts« und »Etwas« weiter zu verfeinern und zu verallgemeinern, möchte ich auf einen Zwischenschritt in der Argumentation zugunsten einer unausweichlichen Entstehung von etwas zurückkommen.
Gemäß der bislang von mir vorgestellten Definition handelt es sich bei dem relevanten »Nichts«, aus dem unser beobachtetes Etwas hervorgeht, um das Vakuum des leeren Raums. Sobald wir aber zulassen, dass Quantenmechanik und Allgemeine Relativität sich verbinden, können wir diese Argumentation auf den Fall ausdehnen, dass der Raum selbst in die Existenz gezwungen wird.
Als Theorie der Gravitation ist die Allgemeine Relativität im Grunde eine Theorie von Raum und Zeit. Das heißt, wie eingangs gesagt, sie war die erste Theorie, die nicht nur die Dynamik von Objekten erfassen konnte, die sich im Raum bewegen, sondern auch erklären konnte, wie der Raum selbst sich entwickelt.
Wenn wir über eine Quantentheorie der Gravitation verfügten, liefe das also darauf hinaus, dass die Regeln der Quantenmechanik sich auf die Eigenschaften des Raums anwenden ließen und nicht nur auf die Eigenschaften von im Raum vorhandenen Objekten, wie das in der herkömmlichen Quantenmechanik der Fall ist.
Es erfordert einige Tricks, die Quantenmechanik so zu erweitern, dass sie diese Möglichkeit einschließt, doch die Formel, die Richard Feynman entwickelt hat und die zu einem modernen Verständnis geführt hat, wie Antiteilchen zustande kommen, ist für diese Aufgabe gut geeignet. Feynmans Verfahren orientieren sich an der entscheidenden Tatsache, die ich zu Beginn dieses Kapitels erwähnt habe: Quantenmechanische Systeme erkunden alle möglichen Trajektorien, während sie sich in der Zeit entwickeln – auch jene, die in der klassischen Interpretation verboten sind.
Um das zu erforschen, entwickelte Feynman eine Formel zur »Summenbildung über Pfade« (Feynman-Wegintegral), um damit Vorhersagen zu machen. Bei diesem Verfahren betrachten wir alle möglichen Pfade zwischen zwei Punkten, die ein Teilchen nehmen könnte. Jedem dieser Pfade weisen wir eine Wahrscheinlichkeit
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