Ein unsittliches Angebot (German Edition)
er gewartet, bis er sechsundzwanzig war, bevor er mit einer Witwe angebändelt hatte? Welch eine köstlich verbotene Frucht war sie doch, in ihrer schwarzen Tracht, die sie als eines anderen Mannes Eigentum auszeichnete und den Blick gleichzeitig auf ihre blasse, süße Haut lenkte. Ihre Röcke schwangen fließend im Rhythmus ihres strammen Gangs und ließen die Form ihrer Beine erahnen.
Er kannte die Form ihrer Beine. Er wusste, wie es sich anfühlte, mit der Hand ihr Schienbein entlangzufahren, über die kurzen, weichen Haare, über das runde Knie und auf ihre Schenkel, weich und seidig. Er wusste, welche Muskeln arbeiteten, wenn sie die Schenkel spreizte, und welche sich dehnten und wieder zusammenzogen, wenn sie die Beine hinter ihm verschränkte.
Er schüttelte sich. Dieser Gedankengang führte zu nichts, falls er nicht vorhatte, sie an den nächsten Baum zu drängen, und so tief war er dann doch noch nicht gesunken.
Als sie das Gehölz erreicht hatte, spähte sie suchend hinein, bevor sie ihn entdeckte und in den Schatten trat. Sie trug einen zugedeckten Korb, den sie jetzt von einem Arm auf den anderen wechselte. »Aha. Hier gehen Sie also jeden Tag entlang.«
»Praktisch, habe ich’s nicht gesagt?« Er nahm ihr den Korb ab. »Gütiger Gott! Was wollen Sie diesen Leuten denn alles mitbringen? Ziegelsteine für einen Bauernaufstand?«
»Nur etwas Brot, Kuchen und Obst aus meiner Orangerie. Na ja, und vielleicht auch ein paar Bücher, falls sie Interesse daran haben.«
»Aha.« Unter seinem Blick glich sie einem Kind, das mit den Fingern im Marmeladenglas erwischt worden war. Einem trotzigen allerdings. »Sie streben also eher eine langsame, subtile Revolution an.«
»Ich tue nichts dergleichen.« Die Leichtigkeit, mit der sie antwortete, grenzte an ein Wunder. Keine Verdrießlichkeit. Kein Erröten. Kein missbilligender Unterton. »Ich habe bloß ein paar Bände ausgesucht, die den Frauen und Kindern gefallen könnten. Waverley nicht, weil ich es Jenny Everett gegeben habe. Obwohl ich es gern jedem Ihrer Leute leihe, wenn Sie selbst es gelesen haben.«
Sie erwartete viel von diesem Besuch und von seinen Landarbeitern. Ein Jammer, dass Mr Barrow bei der Arbeit sein würde – in den anderen Katen dürfte es weit weniger Gesprächsstoff geben.
»Sie sagten, dass einige Ihrer Familien von der Gemeinde unterstützt werden, nicht wahr?« Die Haube, die sie heute trug, war nach außen gewölbt und ließ wesentlich mehr von ihrem Gesicht erkennen, und als sie sich in seine Richtung drehte, sah er, dass ihre Wangen vor freudiger Erwartung leicht gerötet waren. »Die würde ich besonders gern kennenlernen, wenn das möglich ist. Wir sollten dort anfangen, wo wir am meisten Gutes tun können.«
Dann würde er sie zu den Weavers bringen. Eigentlich hätte er am liebsten für den Rest seines Aufenthalts in Sussex einen großen Bogen um diese Kate gemacht, doch sie wollte Gutes tun, und zärtliche Dankbarkeit unterwarf ihn ihrem Willen.
Der Hof sah genau so aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Überall Gänse. »Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, sagte er zu Mrs Russell, obwohl es sowieso keinen sauberen Weg gab. Das Schwein trottete hinter dem Haus hervor. Offensichtlich witterte es seine Chance. Durchs Fenster konnte er das Geschrei des Kindes hören.
Ein Blick auf seine Begleiterin zeigte ihm, dass sie sich wappnete. Ganz unauffällig; einem Mann, der sie schlechter kannte, wäre es vermutlich entgangen. Schultern zurück. Kopf hoch. Ein entschlossener, tiefer Atemzug.
»Sie werden sich von Ihrem Besuch geehrt fühlen«, sagte er leise. Zweifelte sie etwa daran? Er berührte sie kurz am Ellbogen, um ihr Mut zu machen, falls sie es brauchte, und fühlte sich selbst ermutigt. Sie schritten auf die Tür zu.
Dann wiederholte sich das Theater mit dem Schwein, was umso lästiger war, als er diesmal das Vorstellen übernehmen musste. Doch sie gelangten ins Haus – ein Mindestmaß an Höflichkeit konnte Mrs Weaver wohl nicht unterdrücken –, und die Tür schloss sich hinter ihnen.
»Es tut mir leid, dass ich Sie erst jetzt besuche«, sagte Mrs Russell freundlich und beherzt. »Jetzt, wo Seton Park keinen Herrn hat, ist es so schwer zu sagen, was sich gehört. Aber ich habe mich mit Mr Mirkwood über einige Grundstücksbelange unterhalten, und so hat sich die Gelegenheit endlich ergeben.«
Während sie sprach, sah er sich um. Die Kinder waren in derselben Verfassung wie bei seinem vorigen Besuch, und –
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