Ein unsittliches Angebot (German Edition)
sein Magen verkrampfte sich – die älteste Tochter saß in der Ecke und hatte sich mit dem Gesicht zur Wand gedreht, so als wolle sie sich verstecken. Das musste sie sofort getan haben, als er eingetreten war.
»… jetzt fast elf Monate, und ich weiß fast nichts über meine Nachbarn. Ich möchte sie gern näher kennenlernen.« Sie machte eine kurze Pause, doch Mrs Weaver machte keine Anstalten, das Wort zu ergreifen. Der Säugling antwortete in seiner üblichen Manier. Theo stellte den Korb auf die einzige freie Stelle auf dem Küchentisch. Vielleicht würde sie gern die Geschenke verteilen und den Besuch gnädig beenden.
Doch sie hatte anderes im Sinn. »Was für ein bildhübsches Kind«, sagte sie. »Darf ich ihn mal halten?«
Er wäre jede Wette eingegangen, dass niemand zuvor einen solchen Wunsch geäußert hatte. Mrs Weaver sah aus, als glaubte sie, sich verhört zu haben. Vielleicht passierte ihr das öfter, bei dem ewigen Geschrei an ihrem Ohr.
»Wie heißt er?« Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war ihre Beharrlichkeit bewundernswert. Ohne zu zögern, ging sie auf Mrs Weaver zu und streichelte den Flaum auf dem Kopf des Kindes.
»Hiob«, sagte die Frau. Naheliegend. Sie ließ sich von Mrs Russell das Kind aus den Armen nehmen. Die Witwe legte seinen Kopf und seine Glieder zurecht und drehte sich wieder zu ihm um.
Aha. So würde sie also aussehen mit einem Kind.
Obwohl ihr Kind natürlich hübscher sein würde. Es würde Haare haben. Es würde große, neugierige Augen haben, dunkelbraun wie die ihren. Oder vielleicht blau mit goldenen Flecken. Ein seltsamer Gedanke. Jedenfalls würde man die Augen sehen, anders als beim jungen Herrn Hiob, der den Wechsel in fremde Arme als Unerhörtheit registrierte, gegen die es galt, das Gesicht zu einer entsetzlichen Grimasse zu verziehen und eine kryptische Modulation in sein Geschrei zu bringen.
Unbeirrt lächelte sie den Kleinen an und ließ ihn auf ihren Armen auf- und abwippen. Mit einem hübscheren Säugling könnte sie für eines dieser Madonna-mit-Kind-Bilder Modell sitzen, ganz feierlich und strahlend, fast schmerzhaft anzusehen.
Warum schmerzte ihn der Anblick? Was war los mit ihm? Er wandte den Blick ab, als sie vom Kind aufblickte und ihn anstrahlte, so als teilten sie ein wundervolles Geheimnis.
Sie hatte jedes Recht zu strahlen. Sie hatten ein wundervolles Geheimnis. Durch ihn würde ihr Herzenswunsch erfüllt werden und ihre Zukunft gesichert. Und vielleicht konnte er in den kommenden Jahren ab und zu nach Sussex kommen, sich um den einen oder anderen Belang in Pencarragh kümmern und Seton Park einen Besuch abstatten, um zu sehen, wie es dem Kind – Mr Russells Erben – ging.
»Es zeugt von guter Gesundheit, wenn man solch eine kräftige Stimme hat, nicht wahr?« Die Witwe hatte ihrerseits die Stimme erhoben, um sich Gehör zu verschaffen. Er sah sie wieder an, jetzt, da sie anderswo hinschaute.
»So?« Mrs Weavers leere Arme zuckten halbherzig nach dem schmutzigen Geschirr auf dem Tisch, dann ließ sie sie sinken.
»Darf ich ihn einen Moment nach draußen tragen? Es ist so ein schöner Tag, und die frische Luft tut ihm bestimmt gut.«
»Passen Sie auf, dass das Schwein nicht reinkommt«, war Mrs Weavers einzige Antwort. Sie hätte vermutlich nichts dagegen gehabt, wenn Mrs Russell das Kind bis nach Schottland hätte tragen wollen.
»Ich begleite Sie«, sagte er, denn selbst das ohrenbetäubende Geplärr des jungen Hiob war besser als die Übellaunigkeit, die die Luft im Haus vergiftete. »Ich kann Ihnen die Tür aufmachen und das Schwein in Schach halten.«
Das Schwein wartete bereits angriffslustig vor dem Eingang, doch Theo war vorbereitet. Er stieß die Tür ruckartig auf und ging auf das Vieh los, nutzte den Überraschungseffekt, um es so weit zurückzutreiben, dass Mrs Russell hindurchschlüpfen konnte.
Das musste er sich merken. Sie mussten noch einmal hindurch, um das Kind zurückzubringen, und dann noch einmal, um zu gehen. Er brauchte also noch zwei Taktiken, um das Schwein zu überlisten. Unglaublich, was einem Gentleman auf dem Land so alles widerfuhr.
»Hoffentlich haben Sie nicht vor, dieses Kind zu entführen.« Mr Mirkwood, der das Schwein zur Genüge eingeschüchtert hatte, gesellte sich wieder zu ihr. Aus irgendeinem Grund folgte das Schwein ihm.
»Natürlich nicht.« Ich bräuchte ein jüngeres . Sie drehte das Kind, sodass es aufrecht auf ihrem Arm saß, den Kopf an ihrer Schulter. »Ich wollte
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