Ein unsittliches Angebot (German Edition)
er sich mit den Enttäuschungen eines toten Mannes trösten? Denn er kannte ihre Antwort bereits.
»Nein«, sagte sie emotionslos, »das habe ich nicht.«
Er legte den Kopf in den Nacken, um den ziellosen Wolken zuzusehen. Wie die Fetzen von Schafwolle, die überall auf dem Land der Witwe im Gesträuch hingen. Die Schafe schubberten sich an den Büschen und hinterließen ihre Spuren. Das hatte sie ihm einmal auf einem Spaziergang erklärt.
Ob Mr Russell gehofft hatte, von seiner jungen Braut begehrt zu werden, und darüber immer tiefer in die Verzweiflung gesunken war? Vielleicht war es ihm egal gewesen. Manchen Männern war es egal. Sie übten ihr eheliches Recht aus und verschwendeten ungefähr so viele Gedanken an die Gefühle der Frau wie an die des Nachttopfs, wenn er auf ähnliche Weise benutzt wurde. Manche fanden Leidenschaft bei einer Ehefrau unziemlich und sparten sich ihre Aufmerksamkeit für eine Geliebte auf.
Aber viele, viele Ehemänner mussten anders empfinden. Bestimmt machte manch einer seine Frau zu seiner Geliebten, oder wünschte sich das zumindest. Es könnte ganz angenehm sein, Tag und Nacht eine Geliebte im Haus zu haben, die am Frühstückstisch mit einem flirtete. Die nur ein oder zwei Zimmer weiter schlief. Die manchmal in seinem eigenen Bett schlief. Armer, elender Mr Russell, falls das seine Hoffnung gewesen war.
»Hinter der nächsten Anhöhe kommt meine Einfahrt.« Er deutete mit der Hand. »Granville ist vermutlich schon draußen. Nicht vergessen: Ich habe Sie schon viermal besucht, und immer, um Grundstücksangelegenheiten zu besprechen.«
»Hier ist unsere erste Straßenbrache«, sagte Granville, als sie sich der Parzelle näherten. »Solches Land ist weniger nützlich, weil es an der Straße liegt. Einige der Grundstücke sind außerdem voller Bäume.« Er war ausgezeichneter Laune, da er jetzt doppelt so viele junge Leute zum Belehren hatte, von denen eine sogar aufmerksam zuhörte.
»Wo verlaufen die Grenzen? Abgesehen von der Straße, meine ich.« Mrs Russell schien sich ebenfalls so gut zu amüsieren, wie es einer Trauernden überhaupt erlaubt war, als sie ihre gestrichelte Karte ausrollte – seine gestrichelte Karte ausrollte – um zu sehen, wie die Gegend dargestellt war.
Theo ging ein wenig abseits, zwängte sich durch Gestrüpp und ließ die Zweige zurückschnellen. Straßenbrache . Wer würde etwas mit solch einem Namen seinem Besitz einverleiben wollen? Besser, man überließe es den Torfstechern. Hier war tatsächlich Torf gestochen worden. Er tippte mit der Stiefelspitze gegen den zerfetzten Rand des Lochs.
»Weshalb fällt der Boden da drüben so ab?« Die Witwe hatte bemerkt, dass er unaufmerksam war, und versuchte nun, ihn ins Gespräch einzubeziehen. Sie musste ziemlich laut rufen, da sie noch mit der Karte neben Mr Granville stand. »Es scheint, als wäre er abgetragen worden.«
»Ja, jemand holt sich hier Torf.« Noch jemand, den er durch Einhegung um einen Teil seiner Einnahmen bringen konnte. Müßig trat Theo gegen ein loses Stück Erde.
»Torf? Wofür?« Sie ließ die Karte sinken und trat auf ihn zu. Ihre Miene verriet Befremden und ihre Stimme klang beinahe entrüstet. »Zu welchem Zweck?«
»Zum Verbrennen. Diese Art von Torf benutzen die Leute als Brennstoff.« Erinnerte sie sich nicht mehr? Sie hatten sich doch erst letzte Woche einen ganzen Nachmittag mit einem Traktat über die Nutzung der Allmenden um die Ohren geschlagen.
»Als Brennstoff? Tatsächlich?« Sie kniff die Augen zusammen und stapfte hinüber, um sich den Rand anzusehen.
»Brennstoff, gewiss.« Granville folgte ihr langsam. »Ein weit verbreiteter Feuerholz-Ersatz, wenn man sich Letzteres nicht leisten kann.«
»Verbrennen Ihre Bauern diesen Torf, Mr Mirkwood?« Sie bückte sich, um mit ihren Handschuhen einen Klumpen Erde aufzuheben, und er wandte schnell den Blick ab, als sich ihre Figur plötzlich elegant in ihren Röcken abzeichnete.
Brennstoff. Torf. Nein, er sah deutlich die Feuerholzkiste der Weavers vor sich, mit all den gefalteten Papierstückchen zwischen den Ästen. »Ich glaube, unsere Leute verbrennen alle Holz.« Er warf Granville einen fragenden Blick zu, und dieser nickte. »Ich nehme an, Ihre auch, Mrs Russell?« Martha . Ihr Name, der Name, der nicht von ihrem Mann sprach, lag unausgesprochen auf seiner Zunge, ein seltsamer Nachgeschmack.
»Ja.« Stirnrunzelnd betrachtete sie den Klumpen zwischen ihren Fingern. »Ich frage mich, welcher unserer Nachbarn
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