Ein unsittliches Angebot (German Edition)
das hier verwendet.«
»Vielleicht keiner. Manchmal kommen Zigeuner durch eine Gegend und nehmen Torf mit, um ihn zu verkaufen. Habe ich gelesen.« Ein ganz behutsamer Wink. Daran sollte sie sich nun wirklich erinnern. Er wusste noch ganz genau, wie sie die Passage vorgelesen und ihm den Ellbogen in die Rippen gerammt hatte, weil sie argwöhnte, dass er geschlafen hatte.
»Zigeuner. Stimmt. Ich sehe manchmal welche.« Sie ließ den Erdklumpen fallen und klopfte sich die Hände ab, die Karte unter den Arm geklemmt. »Was sagt denn Ihre Lektüre darüber, welche Folgen Einhegungen für solche Leute hätten?« Sie hielt den Kopf schief, um ihm einen interessierten Blick zuzuwerfen.
Ah! Jetzt ging ihm ein Licht auf. Sie hatte diese Frage mit voller Absicht gestellt, und die anderen auch. Sie wusste haargenau, was er sich angelesen hatte. »Von Befürwortern wird der Punkt als Argument für die Einhegung angeführt.« Erst jetzt bemerkte er, dass Granville zuhörte und fast unmerklich nickte. »Einhegung reduziert die Anzahl der Angehörigen des fahrenden Volks in einer Nachbarschaft, weil dadurch das Land in Gemeinschaftsbesitz, auf dem sie ihr Lager aufschlagen könnten, eliminiert wird.«
»Daraus schließe ich, dass das Verfahren auch Gegner hat.« Sie blickte zwischen den Männern hin und her. »Was sind denn die Argumente der Gegenseite?«
Theo zögerte, um Granville die Chance zu geben, zu antworten, doch der Verwalter tippte sich an den Hut und hielt eine Handfläche nach oben, um anzudeuten, dass er fortfahren solle.
»Na ja, meistens wird dadurch mehr Anbaufläche gewonnen, auf Kosten von Weideland. Also mehr von dem, was sich ohnehin schon in Besitz der reichsten paar Familien einer Region befindet.«
»Was kein durchweg schlechter Zustand ist«, warf Granville ein. »Viele der Errungenschaften des letzten Jahrhunderts – Kenntnisse über Trockenlegung und Fruchtwechsel beispielsweise – verdanken wir dem Wissensdurst der Großgrundbesitzer, die die finanziellen Mittel und das Land besaßen, um neue landwirtschaftliche Methoden zu erproben. Ein Freibauer kann sich keine Experimente leisten.«
»Ich verstehe.« Sie runzelte die Stirn. »Aber es sollte mir leidtun, wenn jemand nicht mehr unabhängig sein und von seinem eigenen Land leben könnte. So viele junge Leute müssen sich bereits in der Stadt Arbeit suchen.«
»Arbeit, die vor nicht allzu langer Zeit noch in Bauernkaten verrichtet wurde.« Hier konnte er mitreden. »Vor fünfzig Jahren hatten die Pächter auf Ihrem Land alle Spinnräder oder Webstühle in ihren Katen. Seton Park war nicht nur für Rohwolle, sondern auch für fertiges Tuch berühmt.«
»Woher wissen Sie das?« Diesmal flackerte aufrichtige Überraschung in ihren Augen auf. »Das steht bestimmt in keinem Buch.«
»Wahrscheinlich hat er mit Leuten gesprochen, die sich noch daran erinnern.« Der Verwalter lächelte mit unverhohlener Zufriedenheit. »Sie haben also Mr Barrow besucht?«
»Er hat viel Interessantes zu erzählen.« Theo blickte zu Boden, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er stolz auf Granvilles Beifall sei. Er hatte den alten Mann schließlich aus Geselligkeit besucht, nicht aus irgendeiner noblen, wissbegierigen Gesinnung heraus.
»Sie tun gut daran, zuzuhören.« Das Lächeln machte sich jetzt doch auf Theos Gesicht breit, sogar mit abgewandtem Blick. »Bücher sind eine exzellente Grundlage, aber sie sind nicht so unmittelbar wie persönliche Erfahrungen. Mr Barrows Geschichten und andere ähnliche oder unähnliche Geschichten werden Ihnen ein komplexeres Verständnis vermitteln, als es Bücher je könnten.« Granville sprach jetzt auch zu Mrs Russell. »Sollen wir zur nächsten Parzelle gehen?«
Theo warf der Witwe hinter Granvilles Rücken einen Blick zu. Welch eine explosive Mischung der Gefühle in ihrem Gesicht stand! Stolz auf seinen Erfolg und ihren Anteil daran, Überraschung, dass er ohne ihre Hilfe etwas Wertvolles gelernt hatte, und schlecht verborgene Missbilligung über die implizierte Verunglimpfung von Bücherwissen.
» Komplex «, wisperte er tonlos und tippte sich an die Schläfe, um sie noch weiter zu reizen, und ihre Miene entschloss sich zur Missbilligung. Er verspürte ein unbändiges Verlangen, ihr den Arm um die Taille zu legen, und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Sie gingen weiter.
So verging der Vormittag. Sie gingen von einer einhegbaren Parzelle zur nächsten; Mrs Russell dachte sich Fragen und Bemerkungen aus,
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