Ein unsittliches Angebot (German Edition)
die die Früchte seines Studiums zur Geltung bringen würden, Mr Granville hörte alles und verteilte mit gutgelaunter Befriedigung Zusatzwissen, und die ganze Zeit lang schrie dieser oder jener Körperteil von Theo danach, seine raffinierte Geliebte zu berühren.
Vielleicht könnte man sich als Mann doch daran gewöhnen, Landbesitzer zu sein. Nicht nur daran, an einem Vormittag wie diesem draußen zu sein, zu sehen, wie die kleinen Wildblumen, unordentlich zusammengerollt und voll glitzernden Taus, sich langsam öffneten und ihre Farben und Formen offenbarten, während die Sonne höher stieg. Man könnte sich auch daran gewöhnen, Dinge mit seinem Verwalter zu besprechen, wenn die eigenen Ansichten so angenommen und erwogen wurden, als hätten sie tatsächlich Gewicht. Man könnte sich an die Gesellschaft einer wohlgesonnenen Nachbarin gewöhnen. Vielleicht würden einem sogar irgendwann die Verantwortung und die Entscheidungsgewalt gefallen.
In London erwartete niemand besonders viel von ihm. Das war schon immer so gewesen. Genau genommen war er aus zwei verschiedenen Richtungen verzogen worden. Einerseits hatte er all die Privilegien eines ältestens Sohns genossen und die entsprechende Aufmerksamkeit erhalten, andererseits war er jung genug gewesen, um von seinen liebevollen älteren Schwestern verhätschelt zu werden. Ein solcher Junge musste ja in dem Glauben aufwachsen, dass er so, wie er war, ganz wundervoll war, oder nicht? Und die Geliebten und Jugendfreunde hatten ihn in diesem Glauben nur bestärkt. Selbst das Missfallen seines Vaters hatte Wasser auf seine Mühlen gegossen. Jeder hatte von ihm nichts als Nichtsnutzigkeit und Trivialität erwartet, und sein Leben lang hatte er diese Erwartung nur allzu bereitwillig erfüllt.
An ihrem letzten Ziel – einem noch weniger vielversprechenden Stück Brachland – blieb er ein wenig zurück und ließ sich diese neuen Gedanken durch den Kopf gehen, während Granville Mrs Russell zeigte, wie man eine Grenze bestimmte. Da vernahm er das Hufgeklapper eines sich gemächlich nähernden Pferdes. Er blickte die Straße entlang und entdeckte eine schwarz gekleidete Gestalt auf einem wahrhaft erbärmlichen Klepper. »Ist das nicht Ihr Pfarrer, der da kommt?«, fragte er über die Schulter.
Die Witwe hielt im Vermessen inne und trat neben ihn auf die Straße. Sie beschattete ihre Augen mit der Hand. »Ja, ich glaube, das ist er.« Sie sah … Gott, sie sah verdammt erfreut aus, den Kerl auf seinem klapprigen Gaul zu sehen, obwohl sie doch sicher oft genug geschäftlich mit ihm zu tun hatte. Sie ließ die Hand sinken und blieb stehen, strahlte geradezu. Sie musste bemerkt haben, dass er sie anstarrte, denn sie blickte auf und lächelte, mit glänzenden Augen und völlig selbstvergessen, so als ginge sie davon aus, dass auch ihm nur noch dieses Ereignis zu einem perfekten Vormittag gefehlt hatte. Dann wandte sie sich wieder der Straße zu.
Etwas breitete sich in ihm aus, etwas Niederes und Bitteres, als er zusah, wie sie den Pfarrer ansah. Ihn hatte sie nie so angesehen.
Und um Gottes willen, warum sollte sie auch? Diesen Mann kannte sie schon länger. Zweifellos gefielen ihr seine Predigten, und sie freute sich auf die Schule. Das war alles. Außerdem hatten ihn über die Jahre viele Damen auf viele unterschiedliche außerordentlich angenehme Weisen angesehen. Er brauchte doch nicht die Bewunderung jeder einzelnen Frau auf dem Globus!
Bewunderung. Großer Gott. Das Wort war ein Fausthieb in die Magengrube. Der Name für das, was er vor sich sah. Bewunderung war es, die ihre Augen aufleuchten und ihre aufrechte, erwartungsvolle Haltung vor Anmut funkeln ließ. Plötzlich schnürte es ihm die Kehle zu.
Schluss damit! Er ist kein Rivale, vor dem du sie verteidigen müsstest, denn sie gehört nicht dir. Er biss sich in die Wange, rang um Disziplin und ein wenig gesunden Menschenverstand und ließ erst wieder los, als der Pfarrer sie erreicht hatte und anhielt – obwohl ein freundlicher Gruß ja eigentlich gereicht hätte – und sie alle einzeln mit Namen begrüßte, was ihn dazu zwang, etwas Höfliches zu erwidern.
Sie erklärten ihm ihr Vorhaben. Er hörte interessiert zu und kommentierte die Idee, dass Nachbarn sich in solchen Angelegenheiten gegenseitig zu Rate ziehen sollten, bevor sie Entscheidungen trafen, mit einer angedeuteten Verbeugung – einer besonderen Bestätigung – in Theos Richtung, was ihn vielleicht erfreut hätte, hätte es nicht so
Weitere Kostenlose Bücher