Ein unverbindliches Ja
Intrigen werden geschmiedet, hauptsächlich unter dem weiblichen Personal, das überwiegend aus Schwestern besteht. Dann gibt es noch die Physiotherapeuten, übrigens sehr attraktiv und muskulös, und zwei weitere Psychologinnen, von denen eine das Geburtstagskind ist. Beate.
Ihre Wohnung ist klein und bei den vielen Gästen kann ich mich problemlos unter das Volk mischen, ohne groß aufzufallen. Mein Ziel ist es, diesen Pflichtbesuch möglichst schnell hinter mich zu bringen und die Party mit vollgeschlagenem Magen bald wieder zu verlassen.
Ich bin gerade dabei, mich ein weiteres Mal vom Büfett in der Küche zu bedienen, als jemand ganz nah von hinten an mich herantritt. Das kann nur Karsten sein, der neue Oberarzt, der seit längerem hartnäckig versucht bei mir zu landen. Doch die Stimme, die jetzt kaum hörbar in mein Ohr dringt, stammt nicht aus seinem Mund. Ich will mich umdrehen, doch beim Versuch haucht mir der Unbekannte bereits einen zarten Kuss auf die Wange, wobei seine Hand ganz leicht meine Hüfte streift.
Hendrik. Seit unserer letzten Begegnung sind etwa fünf oder sechs Monate vergangen. Eigentlich weiß ich gar nicht mehr genau, wie er aussieht, und nun das. Es muss Schicksal sein. Mein Herz pocht. Die Magie ist wieder da.
Ich versuche mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen und bemühe mich um ein ungezwungenes Lächeln. Bevor ich etwas sagen kann, vernehme ich ein: »Hallo, schöne Frau!«
Meine Pläne, die Party früh zu verlassen, schmelzen dahin. Was um alles in der Welt macht Hendrik hier? Ich platziere zwei Stücke Kuchen auf meinem Teller und frage: »Wo möchtest du gefüttert werden?«
»Am See um die Ecke.«
Wir schleichen uns durch die Eingangstür ins Freie. Den Teller von Beate werde ich morgen ins Krankenhaus mitbringen.
Ich lasse mein Rad stehen und fahre in seinem Wagen mit – zur Liegewiese. Irgendwie komisch, denke ich, trotz dieser langen Funkstille kommt mir alles wie gestern vor. Ich fühle mich zu ihm hingezogen. Es ist Herbst – ein richtiger Altweibersommer, wie angenehm warm es noch ist. Beinahe wäre ich heute Morgen ohne Jacke aus dem Haus gestiefelt. Die Sonne ist bereits dabei unterzugehen, Orangetöne spiegeln sich im Wasser – sehr romantisch. Er breitet seine Jeansjacke auf dem Rasen aus und sagt: »Bitte schön, ich bin Hendrik und wie heißt du heute?«
»Makrele.«
Natürlich kennt er meinen Spitznamen schon.
»Wen hast du auf der Party nach mir ausgefragt?«
»Einen Verehrer von dir, der sagte, ich solle ja die Finger von seiner Makrele lassen. Ich glaube, er heißt Karsten.«
»War er das, dem du mit einem Victory-Zeichen dein Gehen signalisiert hast?«
»Ja.« Wir lachen.
Ich habe keine Gabel mitgenommen und die Tatsache, dass ich Hendrik mit meinen Fingern füttere, lockert die Atmosphäre.
»Beate hat sich mal von mir vertreten lassen, als sie bei einem Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen davonkam und für längere Zeit nicht arbeiten konnte. Es ging dann über einige Krankenhausbesuche hinaus, aber viel mehr nicht.«
Ich erinnere mich an die Geschichte, bei der Beate von einem sehr fürsorglichen Anwalt gesprochen hat. Das ist vielleicht drei Jahre her. Als Beate durch ihren Unfall auf fremde Hilfe angewiesen war, wurde der Kontakt zwischen ihr und mir intensiver. Beate war dann nach zwei kleineren Eingriffen wieder genesen, doch eine Begegnung zwischen Hendrik und mir hat es offensichtlich nicht gegeben.
»Du hast wohl ein Faible für Psychologinnen?«
»Na, sagen wir mal so: Ihr verdreht euren Patienten genau so die Worte im Mund, wie ich den Gegnern meiner Mandanten, bis alle das glauben, was wir wollen. So gesehen sind wir vom gleichen Schlag.«
Aus dieser Perspektive habe ich meine Berufung noch nie betrachtet, obgleich ich weiß, welch manipulative Art mir oft unterstellt wird. Ich sehe mich eher in der Rolle der Lenkerin, die ihre Patienten an die Hand nimmt und ein Stück begleitet, um sie dann wieder dem Abenteuer Leben zu überlassen.
»Wie klein die Welt ist!«
Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, was die Atmosphäre noch spannender macht. Es ist wie ein erstes Abtasten des anderen, und als ich zu frösteln beginne, schlägt Hendrik vor unsere Unterhaltung bei ihm in der Wohnung fortzusetzen. Im Anschluss würde er mich zurück zu meinem Fahrrad bringen. Was will ich mehr, ein Abend, der langweilig begonnen hat, soll mit einem vielversprechenden Rendezvous in Hendriks Wohnung seinen Abschluss finden. Eine
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