Ein unverbindliches Ja
die Wange und dreht sich um.
»Viel Spaß noch heute Abend!« Ich puste ihm einen Luftkuss zu. Dann fahre ich los.
In dieser Nacht mache ich kein Auge zu. Wieder holt mich mein ständiges sinnloses Grübeln ein. Eigentlich müsste ich viel zurückhaltender sein, denn wer sagt mir, dass Hendrik nicht plötzlich wieder untertaucht. Während ich mit ihm zusammen war, habe ich nicht ein Mal an den schmerzlichen Verlust meiner Mutter oder den grauenvollen Gemütszustand meiner Schwester gedacht. Wie weggeblasen alle Sorgen. Ich finde das bedenklich. Es war einfach nur wunderschön bei Hendrik, ein leicht prickelndes Gefühl der Vorfreude auf unser nächstes Treffen kommt in mir auf. Muss ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben?
Als der Wecker klingelt, bedauere ich sehr nicht geschlafen zu haben. Es stehen einige Patienten auf der Liste, es wird ein langer Tag werden. Wenn man eine Nacht nicht geschlafen hat, am nächsten Tag trotzdem blendend aussieht, kann das nur bedeuten, man ist verliebt. Genauso fühle ich mich. Umso erstaunter bin ich, als einer meiner Lieblingspatienten am Vormittag feststellt, ich sähe so müde aus.
»Ach ja, eine Geburtstagsfeier gestern unter Kolleginnen ging etwas länger, deshalb sehe ich so zerknautscht aus.«
»Nein, meine Liebe, das habe ich nicht gesagt, Sie strahlen förmlich, aber eben müde!«
Ich lächele ihn an. Herr Mauser ist 68 Jahre alt, hatte vor zehn Jahren den Krebs besiegt, der jetzt zurückgekommen ist. Drei Jahre nach der damaligen Diagnose verstarb völlig unerwartet seine Frau. Von ihm habe ich eine Menge gelernt, wie zum Beispiel, dass das Geben im Leben viel wichtiger ist als das Nehmen.
»Wie heißt er?«
Ich erwache aus meinen Träumen. »Es tut mir leid, ich bin heute nicht ganz bei der Sache und darüber hinaus auch noch so unprofessionell, dass man es merkt. Hendrik.«
»Die Freude, die ich mit Ihnen teilen kann, ist mehr wert als jedes Gerede über meinen Gesundheitszustand. Ich habe Sie lange nicht mehr so fröhlich erlebt. Dann hoffen wir mal, Hendrik weiß das zu schätzen, was Sie zu geben haben!«
»Ich werde erst mal nur mit halber Kraft fahren, nicht gleich das ganze Pulver verschießen und vor allen Dingen nicht blindlings meinen Kopf ausschalten.«
»Liebes Kindchen, hätte ich nur annäherungsweise mein Schicksal vorhersehen können, hätte ich drei Jahre lang die Motoren heiß laufen lassen, auch auf die Gefahr hin, danach nicht mehr ins Ziel zu kommen. Was ich damit sagen will: Niemand weiß immer, wohin die Reise geht, aber ist das der Grund, nicht mit voller Kraft voraus zu fahren? Ich denke, Sie sollten sich fallen lassen, kein Mann kann übersehen, dass diese junge Pflanze behütet und gepflegt werden will. Vertrauen Sie Ihrer inneren Stimme.«
Ich stehe auf und nehme den weisen alten Mann in die Arme.
»Danke! Warum muss ein Mann erst älter werden, um hinter die Fassade einer Frau blicken zu können?«
»Weil wir früher einfach noch nicht fertig sind!«
Mit diesen Worten verabschiedet sich Herr Mauser und einmal mehr bin ich ihm dankbar für seine kluge Anteilnahme.
»Und vergessen Sie nicht: Ihre Motoren haben noch nicht gestoppt, weil Sie zwei tolle Kinder haben und in der nächsten Woche Ihr drittes Enkelkind erwarten dürfen!«, sage ich.
Mit einem Lächeln verschwindet Herr Mauser im langen Krankenhausflur, um zu seiner nächsten Chemotherapie zu gehen.
In der Kantine begegne ich Beate, der sehr wohl mein frühes Gehen am gestrigen Abend aufgefallen ist.
»Kann es sein, dass du nicht allein gegangen bist?«
Ich stochere unruhig auf meinem Teller herum. »Da hast du Recht. Und ich glaube, den jungen Mann kennst du. Hendrik.«
Beate blickt mich an. Was hat die kurze Schweigeminute zu bedeuten? Will sie Zeit schinden oder hat es ihr wirklich die Sprache verschlagen?
»Hm, offensichtlich hat er dir von uns erzählt. Nun, ich kann dir sagen, dass die Sache etwa drei Jahre zurückliegt, er ist mein Anwalt, aber das weißt du sicher. Ich möchte dir zwei Dinge mit auf den Weg geben: Das eine ist, dass ich mich für dich freue und es keine verletzten Eitelkeiten meinerseits gibt. Du weißt, ich bin glücklich mit Stefan. Das andere ist, dass ungebetene Ratschläge nichts wert sind, aber nimm dich vor ihm in Acht. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, ich bin froh, hier und da einen anwaltlichen Rat bei ihm einholen zu können, aber als seine Partnerin, denke ich, hat man es nicht leicht.«
Beate macht sich wieder über ihre
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