Ein unverbindliches Ja
China. Bin um 18:30 Uhr bei dir!«
»Nein!«, kreische ich leicht übertrieben in den Hörer. »Lieb gemeint, aber das geht etwas zu fix. Vergiss nicht, er ist keine zwanzig mehr.«
Was soll meine Familie denken, wenn ich unangemeldet mit einem Mann, der nicht Harry heißt, auf der Geburtstagsfeier meines Vaters auftauche? Gleich bei der ersten Frage nach meiner Beziehung zu Hendrik müsste ich passen. Hätte ich bereits erzählt, dass Harry mit mir Schluss gemacht hat, was schon längst überfällig ist, wäre es ja egal. Ein ungebetener Gast mehr oder weniger würde nicht schaden. Aber ich will erst dieses Zusammentreffen nutzen, um endlich zu verkünden, dass die Beziehung mit Harry zu Ende ist. Die nächsten Male werde ich dann ich allein erscheinen, offiziell als vereinsamter Single, und erst danach wird Hendrik in die Familie eingeführt oder besser gesagt, in das, was davon noch übrig ist. So lautet der Plan.
»Treffen wir uns doch morgen.«
Hendrik ist einverstanden. Er lädt mich zu sich ein. Wir verabreden sogar schon die Uhrzeit, so bleibt mir das lästige Warten auf seinen Anruf erspart.
Nach dem Telefonat – ich wollte gar kein Ende finden, so schön ist es, seine Stimme zu hören – ziehe ich mich blitzschnell um. Die Dusche scheint ihre Wirkung verfehlt zu haben, denn als ich das smaragdgrüne Oberteil überstreife – die Farbe dieses Winters –, zeichnen sich sofort mehrere Schwitzflecken darauf ab. Das Telefonat hat anscheinend Hitzewallungen bei mir verursacht. Aber die Zeit, sich noch etwas Neues einfallen zu lassen, ist zu knapp und außerdem schmeichelt das Oberteil meinen Hüften.
Da klingelt es auch schon. Meine Cousine holt mich ab.
Einige Minuten später sitzen wir in ihrer gelben Ente und brettern über das Kopfsteinpflaster. Herrjemine.
Aber wir liegen gut in der Zeit.
Mein Vater lebt mit seiner zweiten Frau am Rande Berlins in einem Reihenendhaus. Ein zugeteilter Garten gehört zum Objekt. Schon in meiner frühesten Kindheit, denn die habe ich dort in diesem Haus verbracht, musste ich erfahren, was es heißt, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Diese Gemeinschaft bestand aus den Nachbarn, die nichts anderes zu tun hatten, als Kinder am Spielen zu hindern und uns im Sommer auf die Kaffeetafel zu glotzen. Nicht schön.
So, beiseite mit den alten Erinnerungen, jetzt wird erst einmal gefeiert, was das Zeug hält, und morgen ist Hendrik an der Reihe. Juhhhhhuuuuuuu …
KAPITEL 15:
KLEPTOMANIE
Next day. Endlich, denn für das heutige Date habe ich mir etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Alles ist bis ins kleinste Detail organisiert.
Der Plan sieht folgendermaßen aus: Hendriks Zweitschlüssel hängt gleich neben dem Eingang an einem megakitschigen Schlüsselbrett (Holzdackel mit beweglichem Kopf. Die Haken dieser Vorrichtung sind golden und verschnörkelt, passend zu den Rahmen seiner Jesusbilder.) Ich werde diesen Schlüssel vom Haken nehmen und unter die Fußmatte im Treppenhaus legen. Dort wird Suse ihn abholen und beim Sofortdienst ein Duplikat anfertigen lassen. Später legt sie ihn dann wieder unter die Matte und schleicht sich davon.
Somit ist mein Part des Plans ein reines Kinderspiel. Wenn ich bei ihm bin, muss ich nichts weiter machen, als unbemerkt und relativ schnell seinen Schlüssel unter die Fußmatte zu legen, ihn später wieder reinzuholen und an denselben Haken zurückzuhängen. Den für mich angefertigten Schlüssel wird mir Suse dann zum Frühstück servieren, wenn ich in unserer WG eingetrudelt bin. Das ist alles.
Suse wird mich gleich auf dem Hinweg begleiten und kann so, wenn Hendrik mir die Haustür öffnet, mit hereinkommen, ohne irgendwo klingeln zu müssen. Natürlich in Turnschuhen mit Gummisohlen. Wir haben sogar einen kleinen Stein für den Haustürrahmen mit eingeplant, und damit Hendrik nicht merkt, dass ich seine Wohnungstür öffne, werde ich ihn mit lauter Musik betäuben. Ich habe meine Peter-Fox-CD dabei.
Warum nur bin ich so aufgeregt? Liegt es an der bevorstehenden Schlüsselaktion? War es vorhin zu viel starker Kaffee? Oder ist Hendrik schuld daran? Sein plötzliches Untertauchen liegt mir immer noch so schwer auf der Seele. Er legt manchmal so eine kühle, zurückhaltende Art an den Tag. Dann ist er so unnahbar. Das macht mir Angst. Aber die Treffen mit ihm sind Weltklasse. Sie haben etwas Leichtes, sind unbeschwert und spielerisch. Augenblicke im Hier und Jetzt, ohne Zwang oder Verpflichtung.
So, genug der Gedanken. Jetzt schnell
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