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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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ist er in derselben Gefahr.“ Mit ernster Miene wandte er sich wieder Mirabel zu. „Nachdem sich die Damen in den Salon zurückgezogen hatten, brachte er nicht ein einziges Mal den Kanal zur Sprache.“
    „Nein?“ Mirabel sah lächelnd an ihrem fürchterlichen Kleid hinab. Sie hatte kaum zu hoffen gewagt, dass ihre Aufmachung ihn auch dann noch irritieren würde, wenn sie seinem Blick schon längst entschwunden war. Mrs. Entwhistle war wahrlich eine brillante Strategin.
    „Das hat mich auch sehr überrascht“, meinte der Captain. „Ich hätte erwartet, dass er den von Ihnen angerichteten Schaden so rasch wie möglich beheben würde. Denn zuletzt hatte ja selbst Lady Talbot ihn angeschaut, als ob er der Leibhaftige wäre, und einige der Burschen in meiner Hörweite schienen gleichfalls recht beunruhigt. Aber als wir Männer unter uns waren, kam Mr. Carsington nicht einmal mehr andeutungsweise auf das Thema zu sprechen. Und er gab auch niemandem Gelegenheit, noch etwas dazu zu sagen. Stattdessen brachte er uns alle dazu, etwas über uns selbst zu erzählen.“
    Mirabels Zuversicht schwand beträchtlich. „Uber Sie selbst“, wiederholte sie.
    „Na ja, über unser Vieh und die Ernte, die Pächter und die Wilderer“, meinte er. „Sir Roger prahlte mit seinen Windhunden. Der Pfarrer wollte gar nicht mehr aufhören, von seinen preisgekrönten Kürbissen zu erzählen. Am Ende jammerten und klagten wir allesamt über undichte Dächer und streunende Schweine und Maulwurfsfänger. Mr. Carsington muss sich zu Tode gelangweilt haben, aber er machte dabei einen so vergnügten Eindruck, als ob wir ihm unanständige Geschichten erzählten.“
    Mirabel stieß einen tiefen Seufzer aus.
    „Eine ziemlich schlaue Strategie, finden Sie nicht?“, befand der Captain.
    „Ja, wer wüsste wohl einen guten Zuhörer nicht zu schätzen?“, erwiderte sie trocken. „Wer ist nicht dann am glücklichsten, wenn er von sich selbst und seinen Sorgen sprechen kann? Ich möchte meinen, dass Sie ihn alle als Ihren besten Freund erachtet haben, als Sie endlich aus dem Speisezimmer herauskamen. Und dieser beste aller Freunde ist zudem noch Lord Hargates Sohn! Ich kann mir lebhaft vorstellen, was in Ihrer aller Köpfe vor sich ging: Was für ein verständnisvoller Bursche! Wie unkompliziert er ist! Keinerlei anmaßendes und überhebliches Gebaren!“
    „Mir kam sofort der Gedanke, dass Mr. Carsington eine großartige politische Zukunft bevorstünde, wenn nur sein Vater ihm einen Sitz im Parlament kaufen würde“, vertraute ihr der Captain an.
    Wie jeder halbwegs gebildete Mensch, war Mirabel sich durchaus bewusst, dass auch das Unterhaus kein demokratisch gewähltes Parlament war. Die Lords verfügten hier ebenfalls über Sitze, und einen solchen zu „gewinnen“ kostete um die sieben- oder achttausend Pfund.
    „Ich wünschte, Lord Hargate hätte das getan, als sein Sohn sich so weit von seinen Kriegsverletzungen erholt hatte, dass er einen Wahlkampf hätte durchstehen können“, gestand Mirabel.
    „Dazu ist es nun zu spät", beschied der Captain. „Weshalb wir uns mit den Gegebenheiten abfinden sollten. Zumindest bekommen wir eine ordentliche Summe dafür, dass über unsere Ländereien verfügt wird - und können uns damit trösten, zum wirtschaftlichen Fortschritt beizutragen.“
    „So?“ Mirabel wandte sich abrupt zu ihm um. „Wenn Sie das tröstlich finden ...“
    Sie erinnerte ihn daran, welch schwerwiegende Veränderungen das stetig wachsende Netz an Kanälen und die entlang den Ufern entstehenden Industriegebiete für viele ländliche Gemeinden in ganz England mit sich gebracht hatten. Und sie erinnerte ihn auch daran, dass nicht alle Fabriken sich äußerlich so harmonisch in die Landschaft einfügten und innen so hell und freundlich waren wie jene von Mr. Arkwright in Cromford.
    Sie begann, ein Szenario zu entwerfen, das von übel riechenden Hinterhöfen und deren elenden Bewohnern bis hin zu den wahrlich trostlosen Verhältnissen der Minenarbeiter und ihrer Familien reichte. Sie sprach von Hebewerken und Schlackenhaufen, Kränen und Kohlekähnen, dem Zischen und Stampfen der Dampfmaschinen, den schwarzen Rauchwolken und dem gespenstischen Heulen der Lokomotivpfeifen. Sie erinnerte ihn letztlich daran, dass sie derzeit noch in einem wahren Arkadien lebten, in einer der schönsten Gegenden Englands, deren ländliche Ruhe sie schätzten.
    Sie wandte sich zum Fenster um und umfasste mit einer weit ausholenden Geste die im

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