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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Abends hatte der Junge vergessen, sich die Haare zu waschen, weshalb er auf dem Fußboden liegen musste. Es war nicht wieder vorgekommen.
    Im Grunde mochte Sören Christer Bergmann. Er war zwar übertrieben unterwürfig, aber offensichtlich nicht völlig verblödet. Eines Abends hatte Sören Christer sich sogar überlegt, dass Bergmann vom selben Privatlehrer unterrichtet werden könnte wie er. Auch wenn der Lehrer nicht besonders gut war, konnte der Unterricht für Bergmann doch von Vorteil sein, sogar mehr noch als für Sören Christer. Er hatte beschlossen, dem Lehrer mitzuteilen, dass er fortan zwei Schüler statt einem unterrichten würde.
    Aber Sören Christer hatte es dann doch vergessen, sich darum zu kümmern, und er wusste auch, warum. Die verdammte Pokerpartie nahm all seine Kraft in Anspruch. Es gab nur eine einfache Lösung: Er musste Ahrweiler verlassen. Er hatte versucht, Lange zu entlocken, woher er mit solcher Bestimmtheit wusste, dass er die Anstalt verlassen konnte, wann immer er es nur wollte. Sören Christer hatte seine Fühler natürlich nur behutsam ausgestreckt, damit Lange nicht Verdacht schöpfte, dass er einen Ausbruch plante, bevor sie die vereinbarte Partie gespielt hatten.
    Das Anstaltsgelände wurde von einem hohen Zaun umschlossen, und es gab nur einen Eingang, das Haupttor, das rund um die Uhr von mindestens zwei Personen bewacht wurde. Sören Christer hatte sie bei der Arbeit beobachtet, und auch wenn sie nicht übertrieben dienstbeflissen wirkten, musste sich doch jeder vor Betreten des Geländes anmelden und seinen Namen hinterlassen. Die Besucher erhielten zudem kleine Abzeichen, die sie für die Dauer ihres Aufenthalts auf der Brust trugen. Ausgenommen von dieser Regel waren nur regelmäßig wiederkehrende Personen. Das gesamte Personal – Pfleger, Haushälterinnen, Putzfrauen, Ärzte und Krankenschwestern – konnte leichter hinein oder hinaus. Aber sie trugen fast alle Uniformen oder kannten das Wachpersonal persönlich, da sie schon lange in der Anstalt arbeiteten.
    Er hatte einen Plan auszuarbeiten versucht, um fliehen zu können, wenn der Müll geholt oder die Latrinen geleert wurden, was täglich um dieselbe Uhrzeit geschah, leider jedoch vormittags, wenn er entweder Unterricht hatte oder eingesperrt war. Wollte er ausbrechen, musste er dies nachmittags tun. In den zehn Tagen, während derer er die Abläufe in der Anstalt verfolgt hatte, waren in diesen Stunden weder die Mülltonnen noch die Latrinen geleert worden.
    Dann kam er auf eine ebenso einfache wie geniale Lösung. Die Lehrer. Sie kamen um dieselbe Uhrzeit und verließen das Gelände nach einer gemeinsamen Besprechung um vier Uhr.
    Sein größtes Problem war die Zeit. Zwei Tage blieben ihm noch bis zum Tag der Pokerpartie. Der Freitag war seine letzte Chance, und ausgerechnet freitags verließen die Lehrer das Anstaltsgelände gelegentlich schon etwas früher und auch nicht immer als Gruppe. Gingen sie nicht zusammen, würde Sören Christer keine Chance haben, sich ihnen anzuschließen.
    Er hätte natürlich am Donnerstag fliehen sollen, aber das ging nicht, da er auf die Geldanweisung seines Vaters wartete, die erst Freitagmorgen eintraf. Ihm blieb keine andere Wahl: Er musste darauf hoffen, dass die Lehrer um vier Uhr Feierabend machen und gemeinsam heimgehen würden. Es war seine einzige Hoffnung – sonst würde er gegen Lange spielen und alles riskieren müssen.
    Er sah auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde, bis Kling Bergmann in sein Zimmer bringen würde. Plötzlich erschien ihm alles ganz selbstverständlich. Er hatte sich entschieden.
    Als die Tür aufging, stand er am Fenster. Bergmann betrat, wie üblich mit gesenktem Kopf, den Raum.
    »Guten Abend, Bergmann.«
    »Guten Abend, Herr Bjerre.«
    Bergmann begann sich auszuziehen und stand schon bald nackt im Zimmer. Sören Christer betrachtete ihn.
    »Sind Sie müde?«
    Bergmann nickte.
    »Ehe wir uns hinlegen, habe ich Ihnen etwas zu sagen. Ich möchte, dass Sie mir aufmerksam zuhören.«
    Sören Christer zündete sich eine Zigarette an. Er wollte Bergmann schon eine anbieten, überlegte es sich dann jedoch anders. Er hatte nicht mehr viele, und eine neue Lieferung war kaum zu erwarten.
    »Morgen wird etwas geschehen, was Einfluss auf Ihr Leben hier haben wird. Ich werde abreisen.«
    »Sie werden entlassen?«
    Bergmann wirkte überrascht und gleichzeitig traurig und froh. Dann senkte er rasch den Blick.
    »Nicht direkt«, antwortete Sören Christer. »Ich

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