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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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dass ich mich scheiden lassen wollte.«
    Madeleine sah Amelie an, die jedoch nicht reagierte. Anschließend studierte sie nochmals die Fotografie in ihrer Handfläche, ohne entscheiden zu können, ob Amelies Worte scherzhaft oder ernst gemeint gewesen waren.
    Madeleine wunderte sich. Warum zeigte Amelie ihr diese Fotografie?
    Und das Kind am linken unteren Bildrand … der Blick, der Andreas folgte, als er seines Weges ging. Das verlassene Kind. Sören Christer?
    Sie drehte und wendete die Aufnahme, als wollte sie so verstehen, was Amelie wirklich gemeint hatte. Ihr war danach, das Foto zu zerreißen.
    »Er bewegt sich so komisch«, bemerkte sie schließlich und gab das Bild zurück.
    »Allerdings«, sagte Amelie.
    Anschließend steckte sie die Fotografie weg, und ein Kellner trat zu ihnen, um ihre Bestellung aufzunehmen. Madeleine war die Situation nur zu vertraut. In letzter Zeit hatte sie es mehrfach erlebt. Dass Amelie sie ohne Vorwarnung scharf ansah. Und jedesmal hatte Madeleine gespürt, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannte. Das schlechte Gewissen. Der Betrug.
    Würde sie es ungeschehen machen, wenn dies möglich wäre?
    Natürlich nicht. Andreas war die Liebe ihres Lebens.
    Soll man fühlen müssen, dass man Unrecht begangen hat, nur weil man liebt? Sie hatte so vielem entsagt, hatte die zweifelnden Mienen gesehen, vor allem in ihrer eigenen Familie, und wie sie mit den Schultern zuckten. Tja, du machst eh, was du willst. Es interessierte sie beim besten Willen nicht, was andere dachten. Nur Amelies regelmäßig vorgebrachte Einwände, gegen die sie sich nicht schützen konnte, waren für sie unerträglich.
    Was hatte sie hier in Rom zu suchen? Das ist doch Wahnsinn, dachte sie. Andreas war natürlich dagegen gewesen und hatte erklärt, sie sei verrückt, wenn sie mitfahre. Aber Amelie war so hartnäckig gewesen, hatte nicht locker gelassen.
    Gleichzeitig hatte sie Amelie unheimlich gern. Ihre übersprudelnde Art, die einem das Gefühl gab, dass nichts unmöglich war. Außerdem war Amelie so viel talentierter als sie. Es spielte keine Rolle, wie oft Amelie sie für eine Skulptur oder Zeichnung lobte, sie war und blieb trotz allem nichts als eine Amateurin. Amelie dagegen war mit einem Talent gesegnet, das sich förmlich aus ihr ergoss. Ihre kleinen Bleistiftzeichnungen, die sie wahllos verteilte und die entstanden, wenn sie gelangweilt war oder ihre Gedanken beim Gespräch abschweiften. Geniale Zeichnungen, die sie selbst Kritzeleien nannte. Madeleine fand sie unglaublich charmant, sie hatte nichts vorzuweisen, was sich mit diesem Talent vergleichen ließ.
    Vielleicht fühlte Amelie sich in gewisser Weise schuldig, weil sie die begabtere von ihnen war. Spräche man sie darauf an, würde sie es niemals zugeben, aber trotzdem, irgendwo tief in Amelie gab es etwas, das sie dazu trieb, stets mehr geben als nehmen zu wollen.
    Aber Madeleine hatte den Bogen überspannt.
    Sie hätte es Amelie liebend gerne so erklärt, dass sie es wirklich verstand. Es war nie geplant gewesen. Aber im Grunde ist es das natürlich nie, wenn man sich verliebt. Man verliert den Kopf und muss sich anschließend den Konsequenzen stellen.
    Die leichte Berührung, die ganz sicher keine Absicht verfolgt hatte. Andreas, der sie anlächelte. Er hatte so eine gewisse werbende Art, so vertraulich, wie er einem schmeichelte. Das hätte Madeleine wie alle anderen auch ignorieren können.
    Aber trotzdem …
    Zufällig berührte er Madeleines Arm, als er an ihr vorbeiging. Vielleicht geschah es aber auch mit Absicht. Oder sie maß seiner Geste mehr Bedeutung zu, als gerechtfertigt war. Jedenfalls spürte sie seine Berührung am ganzen Körper.
    Sie blieb stehen, als hätte sie etwas Ungeheuerliches getroffen. Binnen einer Sekunde war sie bereit gewesen, alles in Frage zu stellen, obwohl sie beide verheiratet waren. Im Grunde war es zu spät, sie hätten sich früher begegnen müssen, bevor sie andere geheiratet hatten, vor den Ansprüchen und Bedürfnissen anderer.
    Aber sie stand da und hörte seine Stimme, und alles, was er in all den Jahren, die sie einander kannten, gesprochen hatte, besagte im Grunde immer nur eins: dass sie füreinander bestimmt waren. Seine vorbehaltlose Ehrlichkeit, die ihn unter allen Männern so einmalig machte. Die Fähigkeit, sich jederzeit wie ein Buch zu öffnen und sein Innerstes zu beschreiben. Obwohl es oft um seine Melancholie und seine Depressionen ging, hatte seine Art, dies in den Raum zu stellen,

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