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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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verlassen, war ihr bewusst geworden, dass sie vor einem unlösbaren Problem stand. Wen konnte sie ansprechen, wen bei ihrem Umzug um Hilfe bitten? Wer würde ihr helfen, nach Rom zu reisen und sich um Mietverträge und all die anderen praktischen Details zu kümmern?
    Schlagartig wurde ihr bewusst, wie sehr die Jahre mit Andreas sie von allen Menschen entfremdet hatten, die sie früher regelmäßig getroffen und ihre nächsten Freunde genannt hatte. Sie waren entweder umgezogen und hatten andernorts Familien gegründet, oder die Freundschaft war im Sande verlaufen, und sie hatten immer seltener und schließlich abgesehen von ein paar höflichen Weihnachtskarten gar nicht mehr geschrieben.
    Mit einer Ausnahme: Madeleine.
    Amelie erkannte, dass sie Madeleine ansprechen musste, es gab sonst niemanden, jedenfalls nicht so kurzfristig. Keiner hatte Amelie so verletzt wie sie, keiner hatte wie sie in Amelie Zweifel an Freundschaften geweckt, die entstanden, weil man zusammen aufwuchs und alles miteinander teilte.
    Diese Lügen. In ihrer unmittelbaren Nähe! Ihre beste Freundin aus Kindertagen in den Armen von Andreas. Ist es überhaupt möglich, sich einen solchen Verrat vorzustellen? Mehrfach war Amelie aufgewacht, nachdem sie von den beiden geträumt und sie eng umschlungen gesehen hatte. Manchmal stand sie da als das biedere Mädchen, in voller Montur, und sah, wie sie miteinander schliefen, sich liebkosten, küssten.
    Sie hatte sich geschworen, jede Verbindung mit Madeleine abzubrechen, weil sie es sonst nicht ertragen würde.
    Doch Madeleine war die einzige Freundin, die ihr geblieben war, alle anderen hatte Andreas mit seinen cholerischen Wutanfällen und wüsten Beschimpfungen in die Flucht geschlagen. Sie waren nicht einmal mehr da, wenn er sich entschuldigen und ihnen erklären wollte, dass er nichts wert war und nichts taugte.
    Meine ganzen Freunde, dachte sie. Binnen weniger Jahre verschwunden!
    Außer Madeleine.
    Als Amelie am nächsten Tag erwachte, war ihr erster Gedanke, dass sie nicht noch einen Tag ertrug, an dem sie nur putzten. Es war ihr fast schon egal, ob die Wohnung nun schmutzig war oder nicht. Es gab so viel zu tun.
    Am schlimmsten war es in der Küche, wo niemand mehr etwas gemacht zu haben schien, seit das Haus zweihundert Jahre zuvor erbaut worden war. Tagelang war ihnen der Schweiß am ganzen Körper hinabgelaufen, während sie alles in Ordnung zu bringen versuchten. Was für eine Schinderei, aber die Türen der Küchenschränke blieben trotzdem fettig, der Fußboden war von mehreren Schichten Fett und Staub bedeckt.
    Nein, Amelie hielt es nicht mehr aus, an dieses Elend zu denken. Stattdessen zog sie ihren Morgenmantel an und ging in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Sie hatte gerade die Eier und den Kaffee fertig, als Madeleine ins Zimmer trat.
    »Da bist du ja! Ich wollte dich gerade rufen.«
    Madeleine wirkte unsicher.
    »Tja«, sagte Amelie, »das Frühstück ist serviert.«
    Sie gingen zum Balkon und setzten sich. Er lag im Schatten und wurde von Efeu umrankt, der die Häuserfassade hochkletterte.
    Amelie goss sich Kaffee ein und atmete tief durch, um möglichst viel Morgenluft einzusaugen. Über die Gasse waren Wäscheleinen gespannt, die unter dem Gewicht von Hosen, Laken und Hemden durchsackten. Eine Etage über ihnen diskutierten zwei Nachbarinnen über die Straße hinweg über Kindererziehung.
    Amelie nahm einen großen Bissen von ihrem Brot und spülte ihn mit ihrem Lieblingsgetränk hinunter: italienische Limonade.
    »Jetzt ist für ein paar Tage Schluss mit der Putzerei«, sagte sie. »Wir müssen uns doch amüsieren, wenn wir schon zusammen hier sind!«
    Madeleine lächelte.
    »Ich fand eigentlich schon, dass der Opernbesuch gestern Spaß gemacht hat.«
    Amelie lachte.
    »Die nächsten Tage gibt es keine Opern mehr. Heute Abend gehen wir ins Caffè Greco, wo die Künstler sitzen. Wir brauchen ein bisschen Abwechslung, wir müssen die Anwesenheit Byrons, Shelleys, Keats’ und Goethes spüren. Und Casanovas natürlich. Das Lokal wimmelt wahrscheinlich nur so von Männern wie ihm.«
    »Das hört sich gut an.«
    »Ja, und morgen gehen wir schwimmen. Ich weiß da eine gute Stelle.«
    Auf Madeleines Gesicht legte sich das gleiche Lächeln wie zuvor, und sie zupfte eine Haarsträhne fort. Da saßen sie nun, so sorglos wie damals, als sie klein waren und im Sommer in Schonen spielten. Madeleine drückte Amelies Hand.
    »Was ist?«
    »Nichts«, erwiderte Madeleine. »Ich habe

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